Leadership: Lehren, die mich durchs Leben führten (German Edition)
Bedeutsames geschehen war. Ich setzte mich, ließ den Blick über den Nordrasen in den Lafayette Park auf der anderen Seite der Pennsylvania Avenue schweifen und dachte darüber nach. Und dann wurde es mir klar.
Der Präsident hatte mir eine Lehre erteilt. Er hatte mir zu verstehen gegeben: »Colin, ich stehe auf Ihrer Seite. Ich werde hier so lange sitzen, wie Sie wollen, und mir Ihr Problem anhören. Lassen Sie es mich wissen, wenn es ein Problem gibt, das ich lösen muss.« Ich lächelte, als mir diese neue Erkenntnis kam. In den verbleibenden Monaten mit Präsident Reagan erzählte ich ihm von allen Schwierigkeiten, auf die wir stießen, aber ich bat ihn nicht ein einziges Mal, eines jener Probleme zu lösen, für die ich und die anderen Mitarbeiter zuständig waren, die er eben dafür eingestellt hatte. Reagan delegierte bereitwillig Verantwortung und Autorität und vertraute darauf, dass seine Mitarbeiter das Richtige tun würden. Er setzte großes Vertrauen in sein Team. In den meisten Fällen musste er das nicht bereuen. Aber hin und wieder brachte ihn diese Methode in Schwierigkeiten, wie das Debakel in der Iran-Contra-Affäre zeigte.
An einem anderen Morgen im Jahr 1988 ging ich erneut ins Oval Office, um dem Präsidenten ein Problem vorzulegen. Die amerikanische Marine machte im Persischen Golf Jagd auf iranische Kanonenboote, die unsere Flotte bedroht hatten. Unsere Schiffe näherten sich dem iranischen Hoheitsgewässer, und Verteidigungsminister Frank Carlucci bat um Erlaubnis, die Zwölf-Meilen-Grenze zu verletzen, um die Kanonenboote zu stellen.
Präsident Reagan saß an seinem Schreibtisch. Er wusste von den Kampfhandlungen, ließ sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen, sondern signierte ganz gelassen Fotos. Er vertraute darauf, dass wir der Situation gewachsen waren und ihn auf dem Laufenden halten würden. Als ich an seinen Tisch trat, hob er den Kopf und sah mich an. Er wusste, dass ich ihm eine Frage stellen würde, die nur er als Oberkommandierender beantworten konnte: Ich erläuterte ihm die Forderung des Verteidigungsministeriums, beschrieb die Pros und Contras des Einsatzes und die möglichen Folgen und schlug eine Strategie gegenüber den Medien und dem Kongress vor. Er hörte sich alles an und sagte: »Genehmigt, tut es.« Ich gab seine Antwort an Frank Carlucci weiter. Wir jagten die iranischen Kanonenboote zu ihren Stützpunkten zurück. Damit war das Problem erledigt.
Ich unterbreitete Reagan in unserer gemeinsamen Zeit viele Vorgänge, die in seine präsidiale Zuständigkeit fielen. Er überdachte, hinterfragte und analysierte sie und traf dann eine Entscheidung. Man konnte sich jederzeit an ihn wenden. Aber es war ihm lieber, wenn ein Problem auf einer niedrigeren Ebene gelöst werden konnte.
Eines meiner liebsten Erinnerungsstücke ist ein von Reagan signiertes Foto, auf dem wir nebeneinander vor dem Kamin im Oval Office sitzen: Wir haben uns über Diagramme gebeugt, wie ich sie gern zur Erläuterung eines Themas verwende. Reagan schrieb später folgende Worte auf das Foto: »Lieber Colin, wenn Sie es sagen, bin ich sicher, dass es richtig ist.« Schluck.
Für mich gibt es nichts Schöneres, als dafür zu sorgen, dass etwas richtig funktioniert. Ob es darum geht, einen klapprigen Volvo wieder in Schuss zu bringen oder ein zersplittertes Führungsteam in ein harmonisches Orchester zu verwandeln – meine größter Wunsch ist stets gewesen, etwas, das nicht so gut funktioniert, wie es sollte, so umzubauen, dass es läuft wie geschmiert. Ronald Reagan lehrte mich, wie man das erreicht, indem man Vertrauen zwischen den Führungskräften schafft. Eine Atmosphäre des Vertrauens ist für die reibungslose Effizienz einer Organisation so unverzichtbar wie eine Kurbelwelle für einen Volvo.
In allen Führungspositionen, die ich seit meiner Tätigkeit für die Regierung Reagan bekleidet habe, habe ich mich bemüht, gegenseitiges Vertrauen und Verantwortungsbewusstsein zu schaffen. Ich vertraute darauf, dass meine hochrangigen Mitarbeiter richtig vorbereitet waren, das Richtige taten, wussten, was ich von ihnen erwartete, und bereit waren, die Verantwortung für ihre Handlungen zu übernehmen.
Um das Vertrauen und die gemeinsame Verantwortung in meinem Team aufrechtzuerhalten, musste ich meine Leute sehr nah bei mir haben: Die Kommunikations- und Befehlslinien mussten kurz und direkt sein, es sollten möglichst wenige Bürokratieschichten zwischen uns liegen.
Beim Militär hatte ich eine
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