Leadership: Lehren, die mich durchs Leben führten (German Edition)
Verantwortung. Wenn man die Verantwortung hat, muss man sie auch übernehmen. Mit Porzellan- oder sonstigen Läden hat die Regel nichts zu tun.
»Verantwortung übernehmen« gehört zu den ersten Dingen, die ein junger Army-Rekrut lernt. Dem frischgebackenen Soldaten wird beigebracht, wie er den Wachdienst zu versehen hat – eine simple, aber wichtige Aufgabe. Jeder Rekrut lernt eine Reihe von Vorschriften über die Pflichten des Wachdienstes auswendig. Diese Vorschriften sind allgemein als »General Orders« bekannt.
Eine dieser Wachvorschriften hat sich mir in all den Jahren tief ins Gedächtnis eingegraben und ist zu einem Grundprinzip meines Führungsstils geworden: Es ist die Pflicht eines Wachsoldaten, »die Verantwortung für seinen Posten und das gesamte sichtbare Staatseigentum zu übernehmen«.
Mit anderen Worten: »Wenn du in der Verantwortung stehst, übernimm sie.«
Stellen wir uns einen achtzehnjährigen Private vor, der ein Fuhrparkgelände zu bewachen hat, auf dem nebeneinander 20 Panzer geparkt sind. Es ist kalt, es ist mitten in der Nacht, und er ist allein. Er ist nicht nur für den Bereich verantwortlich, in dem er gerade seinen Dienst versieht, sondern für diesen Posten. Er ist für das gesamte sichtbare Staatseigentum verantwortlich: den Fuhrpark, die Gebäude, in denen seine Kameraden schlafen, die Zäune, alles. Verantwortlich zu sein bedeutet nicht, alles im Auge zu behalten oder gelegentlich zu kontrollieren. Es bedeutet, dass man die Verantwortung übernimmt und dass man handelt, wenn etwas nicht stimmt oder schiefgeht. Selbst wenn man nur Private ist – also den niedrigsten Dienstgrad bekleidet –, übt man als Wachsoldat die Befugnisse seiner Vorgesetzten aus und sollte entsprechend handeln.
Nach der zweiten, unmittelbar darauf folgenden Wachvorschrift soll man jemanden rufen, wenn die Situation durch die eigenen Befehle nicht abgedeckt ist. Wenn man verwirrt ist oder etwas Merkwürdiges geschieht, ruft man Hilfe herbei. Den »wachhabenden Unteroffizier«. Aber bis Hilfe eintrifft, trägt man die Verantwortung.
Dies verlangt eine »Neigung zum Handeln«, die Bereitschaft, sich jeder Herausforderung zu stellen. Unseren Offizieren und Unteroffizieren schärfen wir ein: »Stehen Sie nicht herum, tun Sie etwas!«
In den Tagen, Wochen und Monaten nach dem Fall Bagdads versäumten wir es, auf das, was vor unseren Augen geschah, zu reagieren. Wir konzentrierten uns darauf, Ölförderung und Stromerzeugung anzukurbeln, die Börse wiederzueröffnen und eine neue irakische Regierung zu bilden. Dies alles war sinnvoll, konnte aber nicht zum Erfolg führen, solange wir und die Iraker nicht die Verantwortung für diesen Posten übernahmen und alles sichtbare Eigentum schützten.
Die Iraker waren froh, dass Saddam Hussein weg war. Aber sie hatten auch ein Leben zu leben und Familien zu versorgen. Der Sturz des Unrechtsregimes machte ihre Kinder nicht satt, und er machte die Stadt, durch die sie zur Arbeit fuhren, nicht sicherer. Mehr als alles andere brauchten die Iraker ein Gefühl der Sicherheit und die Gewissheit, dass jemand die Verantwortung übernahm – und verhinderte, dass Ministerien niedergebrannt, Museen geplündert und Verkehrseinrichtungen zerstört wurden, dass die Kriminalitätsrate in die Höhe schnellte und die altbekannten religiösen Konflikte in Gewalt umschlugen.
Als wir einmarschierten, hatten wir einen vom Präsidenten gebilligten Plan. Wir wollten die irakischen Streitkräfte zerschlagen und auflösen. Wir wollten die Armee reorganisieren und ihre Führung säubern, damit sie uns helfen konnte, die Ordnung im ganzen Land zu sichern und aufrechtzuerhalten. Wir wollten die Baath-Partei, die herrschende politische Partei, auflösen, aber wir wollten nicht jedes Parteimitglied auf die Straße setzen. Wer zu Saddams Zeiten Beamter, Lehrer, Polizist oder Postbediensteter werden wollte, musste der Partei angehören. Wir hatten die Absicht, Spitzenfunktionäre der Partei aus verantwortlichen Stellungen zu entfernen. Aber Beamte und Staatsbedienstete der Ebenen darunter verfügten über die Ausbildung, die Kompetenzen und praktischen Kenntnisse, die erforderlich waren, um das Land zu regieren.
Ja, der Irak war eine Einparteiendiktatur. Ja, gefährliche Elemente blieben in Partei und Armee. Sie würden identifiziert und entfernt werden müssen. Ja, viele irakische Soldaten waren desertiert. Aber funktionsfähige Strukturen blieben bestehen, und die entstandenen Lücken
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