Leadership: Lehren, die mich durchs Leben führten (German Edition)
weitere Beispiele aus der Militärgeschichte nennen. Ich könnte Hunderte weitere aus der Geschichte von Politik und Wirtschaft anführen – ja, aus praktisch jedem Bereich menschlichen Schaffens.
Unternehmensleiter müssen ihren Markt, ihre Konkurrenten und die ihnen zur Verfügung stehenden Kräfte analysieren. Wie bündelt man seine Kräfte in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Produktion, Finanzen und Marketing, um die Unternehmensziele zu erreichen? Wie gestaltet man seine Führung effizient? Wie wappnet man sich gegen Überraschungen? Wann läuft man Gefahr, nur seine Kräfte zu sparen? Wie nutzt man Erfolg aus oder verwandelt eine Krise und einen Misserfolg in eine Chance?
Selbst die Bibel streift diese Themen. So heißt es in Lukas 14 , 31 : »Oder wenn ein König gegen einen anderen in den Krieg zieht, setzt er sich dann nicht zuerst hin und überlegt, ob er sich mit seinen zehntausend Mann dem entgegenstellen kann, der mit zwanzigtausend Mann gegen ihn anrückt?«
Ich wäre lieber der zweite König mit zwanzigtausend Mann als der erste mit zehntausend … und hätte lieber ein klareres Ziel und eine entschiedenere Strategie.
Die Porzellanladen-Regel
Als junger Infanterist habe ich gelernt, dass man, wenn man ein Angriffsziel genommen hat, sei es eine Höhe, eine Stadt, eine Brücke oder eine wichtige Straßenkreuzung, seine Stellung festigt, den Soldaten eine warme Mahlzeit und trockene Socken besorgt, mehr Munition heranschafft, sich verschanzt und auf den Gegenangriff vorbereitet. Die Schlacht ist noch nicht vorüber und wird eine andere Form annehmen. Während man seine Stellung sichert und einzuschätzen versucht, wie der Feind reagieren wird, sondiert man Möglichkeiten, weiter vorzurücken. Der Feind ist möglicherweise so angeschlagen, dass man den Erfolg ausnutzen und ihn bis zur endgültigen Niederlage verfolgen kann. Er könnte aber auch frische Kräfte herangeführt haben und zum Gegenschlag ausholen, vielleicht in einer Weise, mit der man nicht gerechnet hat. Was auch immer als Nächstes geschehen mag, gewiss ist, dass weitere Gefechte bevorstehen. Man muss sich darauf gefasst machen. Verantwortung übernehmen.
Am Abend des 5 . August 2002 kamen Präsident Bush und ich in seinen Privaträumen im Weißen Haus zusammen und erörterten das Für und Wider der Irakkrise. Innerhalb der Administration schlug das Pendel immer mehr zugunsten eines Militäreinsatzes aus, und auch der Präsident tendierte zunehmend in diese Richtung.
Ich wollte ihm klarmachen, dass ein Militäreinsatz schwerwiegende Konsequenzen hätte, von denen viele unabsehbar, gefährlich und schwer zu kontrollieren sein würden. Die meisten Briefings, die er erhalten hatte, hatten sich auf die militärische Option konzentriert – die irakische Armee besiegen und Saddam Hussein und sein Regime stürzen. Den nichtmilitärischen Optionen und den Folgen einer militärischen Eroberung war zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet worden.
Ich zweifelte nicht daran, dass unser Militär die kleinere irakische Armee, die durch die Operation Wüstensturm und die danach erfolgten Sanktionen und anderen Maßnahmen stark geschwächt war, ohne Mühe vernichten würde. Aber die unvorhersehbaren Folgen des Krieges bereiteten mir Sorge. Nach den optimistischen Plänen, die vorgelegt wurden, erwartete man, dass der Irak sich neunzig Tage nach der Einnahme Bagdads irgendwie in ein stabiles Land mit demokratischer Führung verwandeln würde. Ich hielt solche Hoffnungen für unrealistisch und war mir sicher, dass uns ein längerer Kampf bevorstand.
Krieg führt zu Zerstörungen, vernichtet Menschenleben, hinterlässt heillose Verwirrung und Chaos und zieht materielle und soziale Turbulenzen nach sich. Ein besiegtes und besetztes Land ist kein Hort des Friedens und der Ordnung. Der alte Sicherheits- und Ordnungsapparat ist stark geschwächt oder gar völlig zerstört. Handel und Verkehr sind weitgehend zum Erliegen gebracht. Selbst wenn die Invasionstruppen als Befreier kommen, werden sie nicht unbedingt freudig willkommen geheißen. Es kann zu Aufständen und Plünderungen kommen, zu weit verbreiteten Anfeindungen gegen die Besatzer, ja sogar zu Sabotageakten und Morden. Religiöse, politische oder ethnische Rivalitäten, die vor der Invasion unter der Decke gehalten wurden, können im Gefolge der Invasion unerwartet zum Ausbruch kommen.
Krieg ist nie eine glückliche Lösung, aber er ist unter Umständen die einzige Lösung. Wir müssen andere
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