Leadership: Lehren, die mich durchs Leben führten (German Edition)
würden, aber das geht nicht. Was also kann man tun? Wie kann man die Last tragen?
Im Januar 2003 , als der Krieg mit dem Irak näher rückte, befand es Präsident Bush für nötig, unsere Anschuldigungen gegen den Irak der Öffentlichkeit und der internationalen Gemeinschaft vorzutragen. Zu dem Zeitpunkt glaubte er nicht mehr daran, dass sich der Krieg noch vermeiden ließ. Er hatte innerlich die Schwelle überschritten, obwohl der Nationale Sicherheitsrat nie zusammengetreten war und über die Entscheidung diskutiert hatte – und es auch nie tun sollte. Am 30 . Januar 2003 teilte mir Präsident Bush im Oval Office mit, dass es nun an der Zeit sei, unsere Anschuldigungen gegen den Irak den Vereinten Nationen bekanntzugeben.
Das Datum, das er für die Präsentation auserkoren hatte, war der 5 . Februar; es blieben also nur noch wenige Tage Zeit.
Die Rede sollte mehrere Themenbereiche behandeln, von der verheerenden Menschenrechtsbilanz des Saddam-Regimes über seine Verstöße gegen UN -Resolutionen bis zu seiner Unterstützung von Terroristen. Doch der Schwerpunkt sollte auf seinen Massenvernichtungswaffen liegen. Saddam hatte im Verlauf der Operation Wüstensturm zwar keine Massenvernichtungswaffen zur Anwendung gebracht, aber er besaß welche. Jahre zuvor hatte er chemische Kampfstoffe gegen sein eigenes Volk eingesetzt, ebenso im Ersten Golfkrieg ( 1980 – 1988 ) gegen die Iraner. Nach Meinung der Nachrichtendienste besaß er nicht nur immer noch Vorräte an Massenvernichtungswaffen, sondern hatte auch weiterhin welche produziert. Im Klima nach 9 / 11 bestand die große Sorge, dass diese Waffen Terroristen in die Hände fallen könnten.
Die Nachrichtendienste vertraten zwar unterschiedliche Ansichten im Hinblick auf einzelne Aspekte des irakischen Massenvernichtungswaffenprogramms, aber dass die Iraker eines besaßen, darin stimmten sie überein. Sie waren davon überzeugt, dass Saddam Massenvernichtungswaffen besaß und weiterhin produzierte. ( UNO -Waffeninspekteure waren gegenüber diesen Schlussfolgerungen immer skeptisch.)
Drei Monate vor meiner UNO -Rede hatte der CIA -Chef auf Verlangen des Kongresses den Volksvertretern ein National Intelligence Estimate ( NIE ) vorgelegt, das die geheimdienstliche Einschätzung bekräftigte. Auf der Grundlage dieses Berichts der Nachrichtendienste verabschiedete der Kongress eine Resolution, die den Präsidenten ermächtigte, militärische Maßnahmen zu ergreifen, wenn sich mit Hilfe der UNO keine friedliche Lösung herbeiführen ließ.
Das NIE enthielt eine Reihe klarer, definitiver Aussagen, so etwa die Behauptung, dass der Irak im Begriff sei, sein Atomwaffenprogramm wieder aufzunehmen. An anderer Stelle hieß es: »Saddam lagert wahrscheinlich mindestens 100 Tonnen, möglicherweise sogar 500 Tonnen chemische Kampfstoffe –
von denen ein großer Teil im vergangenen Jahr hinzugekommen ist
[Hervorhebung von mir]. An wieder anderer Stelle wurde behauptet, die Iraker hätten mobile Einrichtungen zur Produktion biologischer Waffen gebaut.
Obwohl das NIE hauptsächlich auf Indizien und Schlussfolgerungen beruhte, war es überzeugend. Es fand Anerkennung bei unseren militärischen Befehlshabern, bei der Mehrheit im Kongress, beim nationalen Sicherheitsteam und beim Präsidenten wie auch bei einer Anzahl befreundeter und verbündeter Staaten. Der Präsident war der Auffassung, dass die Nation im Gefolge des 11 . September nicht das Risiko auf sich nehmen könne, Massenvernichtungswaffen in Saddams Händen zu dulden.
In Anerkennung der Tatsache, dass wir bei der internationalen Gemeinschaft für unser Anliegen würden werben müssen, hatte der Präsident den Stab des Nationalen Sicherheitsrats angewiesen, die anstehenden Maßnahmen vorzubereiten.
Irgendwann im späteren Verlauf des 30 . Januar, an dem ich mit dem Präsidenten zusammenkam, erhielten meine Mitarbeiter die vom Stab des Nationalen Sicherheitsrats zusammengestellte Dokumentation des Falls. Sie war eine Katastrophe, voller Ungereimtheiten. Behauptungen wurden aufgestellt, die weder durch Quellen belegt waren noch an das NIE anknüpften. Ich fragte George Tenet, den CIA -Direktor, was da los sei. Er habe nichts damit zu tun, sagte er. Er habe das NIE und Hintergrundmaterial dem Büro von Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice zukommen lassen. Was danach damit geschehen sei, entziehe sich seiner Kenntnis.
Später brachte ich in Erfahrung, dass nicht der Stab des Nationalen Sicherheitsrats, sondern Scooter
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