Leander und der tiefe Frieden (German Edition)
nichts über die Zusammenhänge
und bin auf ihre Informationen angewiesen.«
»Außerdem ist sie sehr nett«, stichelte Lena.
»Genau«, antwortete Leander gereizt. »Darüber hinaus ist da
nichts, und ich freue mich, dass du hier bist.«
»Stimmt, wir haben ja einiges zu besprechen«, stichelte Lena
weiter, allerdings in einem Tonfall, der erahnen ließ, dass sie keinen Streit
wollte.
Entsprechend zurückhaltend reagierte Leander darauf. Er zog sie
fester zu sich und kuschelte sich in seinen Mantelkragen, da der Wind
unangenehmer war, seit sie Ohlhörn hinter sich gelassen hatten und auch schon
am Nordsee-Kurpark vorbei waren. Vor ihnen endete der befestigte
Promenadenstreifen, und sie hatten die Wahl, ob sie rechts in einen Fußweg an
ein paar hässlich großen Appartementhäusern vorbei einbiegen oder geradeaus
durch den Sand laufen wollten. Lena entschied für beide und zog Leander in den
Sand.
»Wir sollten nicht zu weit gehen«, mahnte der in Erinnerung an
seine Deichwanderung.
»Können zwei wie wir überhaupt zu weit gehen?«, entgegnete Lena
wortspielerisch und schritt forsch voran.
Nach einigen hundert Metern erhob sich vor ihnen ein
asphaltierter Deich aus dem Schlick des Wattenmeeres, vor dem der Sandstrand
endete. Sie gingen zügig hinauf und gewannen einen beeindruckenden Ausblick auf
eine Gruppe von Reetdachhäusern, die jedes für sich auf einer eigenen kleinen
Warft gebaut waren. Davor erstreckten sich Reet und ein großer Weiher, bevor
das Gelände vom Deich mit einem Stacheldrahtzaun abgetrennt war.
»So könnte ich meinen Lebensabend verbringen«, erklärte Lena.
»Auf meiner eigenen kleinen Warft mit Blick auf die tosende Nordsee. Abends
säßen wir gemütlich mit einem Glas Rotwein am Kamin und hätten den schönsten Ausblick
der Welt. Und der Sturm da draußen könnte uns mal.«
Leander nickte.
»Noch schöner fände ich allerdings ein Haus an der Côte d’Azur.
Ich bin mehr für Wärme und T-Shirt-Wetter. Die Vorstellung, schon morgens in
kurzer Hose und T-Shirt auf meine Terrasse zu treten und mit Blick auf das
azurblaue Meer zu frühstücken, ist mir im Moment lieber. Der Kälte Deutschlands
entfliehen«, schwärmte Leander.
»Siehst du bei deinem Frühstück mich an deiner Seite, oder
sitzt du alleine da?«
»Ich will nicht mehr alleine sein«, antwortete Leander und
küsste sie auf die Wange. »Das war ich schon viel zu lange. Wenn ich
auswandere, dann nur mit dir.«
»Jetzt einmal ernsthaft«, lenkte Lena ein. »Weißt du schon, was
du wirklich vorhast? Wenn meine Informationen stimmen, musst du nicht mehr
arbeiten.«
»Zuerst muss ich wissen, ob das Geld rechtmäßig erworben ist«,
wandte Leander ein.
»Nach meinen Informationen ist es das. Zumindest musst du nicht
damit rechnen, dass irgendjemand darauf aus ist, das Gegenteil zu beweisen.«
»Darum geht es nicht«, entgegnete Leander grob. »Verstehst du
denn nicht? Ich muss wissen, ob das Geld moralisch sauber ist. Wenn es auf dem
Leid anderer Menschen basiert, möglicherweise sogar auf dem Elend von Juden,
könnte ich keinen Cent davon annehmen.«
»Das verstehe ich«, sagte Lena beruhigend und fügte nach
einigen Minuten hinzu: »Ich werde dir helfen, das herauszubekommen.«
Als der Deich endete, standen sie vor derselben Wahl wie schon
am Ende der Promenade. Leander wollte umkehren, aber Lena wies einige hundert
Meter voraus.
»Da steht ein kleiner Leuchtturm. Und da sind auch
Strandübergänge. Bestimmt gibt es hinter den Dünen ein Dorf oder zumindest ein
Café. Lass uns sehen, ob wir vor unserem Rückweg nicht eine Tasse Tee bekommen
können.«
Leander hatte zu schlechte Erfahrungen mit den Entfernungen und
Windverhältnissen auf Föhr gemacht und wollte eigentlich kein Risiko eingehen,
willigte aber dennoch ein, weil auch er gegen einen heißen Tee nichts einzuwenden
hatte und der Rückweg weit war. So gingen sie strammen Schrittes durch den Sand
auf den kleinen Leuchtturm zu, den sie schon nach wenigen Metern hinter dem
Deich aus den Augen verloren. Allerdings hatte Lena ein gutes Gefühl für
Distanzen und bog zielsicher in einen Strandaufgang ein, der sie durch die
Dünen führte.
Auf der höchsten Stelle erblickten sie den Leuchtturm direkt
vor sich. Eine schmale asphaltierte Straße führte vom Strandaufgang aus daran
vorbei über einen Innendeich hinweg. Als sie auch den erklommen hatten,
erblickten sie vor sich ein Dorf und wussten wenig später durch das
Ortseingangsschild, dass es sich um Nieblum
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