Leander und die Stille der Koje (German Edition)
quasi über den Galeerensträflingen, eine Frau mit dem Rücken in Fahrtrichtung und schlug den Paddeltakt auf einer Trommel an; im Heck stand jeweils ein Mann und steuerte mit einem langen Ruder in der Hand die Richtung des Bootes. Unter dem Jubel der Gäste an den Seiten des Hafenbeckens und in Begleitung des Liedes Que sera aus den Lautsprechern lieferten sich die beiden Drachenboote auf den letzten Metern einen erbitterten Kampf, bis schließlich eines von beiden zuerst an der Quaimauer anlegte und die Besatzung im Siegesjubel die Arme hochriss.
Die Paddler lehnten sich zurück und erholten sich einen Moment, ehe sie dann nacheinander die Boote verließen und sich auf freigehaltenen Bänken an der Seite des Hafenbeckens niederließen, um gebührend zu feiern und sich zu stärken. Heinz Baginski ließ die Kamera sinken. Er hatte wie in Trance, quasi automatisch und instinktgesteuert, mit dem Erscheinen der Drachenboote angefangen zu fotografieren und sicher an die hundert Fotos geschossen, von denen er zu Hause die besten aussuchen würde. Zum Glück hatten die modernen Speicherkarten ja ein Fassungsvermögen, mit dem sich leicht tausend Fotos und mehr machen ließen, ohne wie früher zwischendurch immer in dem Moment den Film wechseln zu müssen, in dem die besten Motive vor der Linse auftauchten.
Nun konnte er seinen Beobachtungsposten verlassen. Er würde erst mal ein Fischbrötchen essen und ein Glas Bier trinken, das hatte er sich nach der ersten Großaktion an diesem denkwürdigen Tag redlich verdient. Also steuerte er die nächste Fischbude an und reihte sich in die Schlange der wartenden Urlauber ein.
Henning Leander saß inmitten seiner Freunde an einem der langen Biertische direkt am Rande des Hafenbeckens. Tom und Götz hatten diesen Platz ergattert und erbittert verteidigt, bis alle auf ihren Plätzen saßen. Elke, Toms Frau, würde vorerst nicht zu ihnen stoßen; sie hatte zunächst an einem Kuchenstand der Landfrauen Vorbereitungen für den Nachmittag zu treffen und anschließend beim Verkauf zu helfen. Nun erschien Eiken zusammen mit ihrem Großvater, der sichtlich Mühe hatte, sich durch den Trubel des Hafenfestes zu drängeln. Leander hatte den alten Mann vor Monaten zum letzten Mal gesehen. Er war der engste Freund seines Großvaters gewesen und machte sich immer noch Vorwürfe wegen des Todes des alten Heinrich Leander.
»Ist hier noch Platz?«, fragte Eiken.
»Natürlich«, antwortete Leander, stand auf und half dem alten Mann, sich auf die schmale Bank zu setzen. »Schön, dass wir uns einmal wiedersehen, Herr Jörgensen.«
Wilhelm Jörgensen blickte ihn mürrisch an, nickte aber und tauchte dann wieder in seine eigene Gedankenwelt ab.
»Wo sind Mephisto und Diana?«, erkundigte sich Eiken.
»Wahrscheinlich brütet Mephisto wieder irgendetwas Begnadetes aus«, vermutete Götz Hindelang. »Hauptsache, wir müssen uns nachher keinen Vortrag darüber anhören. Aber vielleicht haben wir ja Glück, und die beiden kommen gar nicht.«
»Sei nicht unfair, ich finde Diana ganz sympathisch. Dann hole ich uns jetzt erst mal ein Bier, Großvater«, sagte Eiken, und Leander sprang auf, um mit ihr zu gehen und Nachschub für alle zu holen.
»Er wirkt sehr eingefallen«, sagte er zu Eiken, als sie in der Schlange vor der Bierbude standen.
»In den letzten Monaten hat er unheimlich nachgelassen. Ich glaube nicht, dass er noch lange durchhalten wird. Hinnerks Tod hat ihm den Rest gegeben.«
»Trifft er sich noch mit den alten Freunden?«
»Von Claus Petersen und Enno Jessen haben wir seit damals nichts mehr gehört. Nur Ocko Hansen kommt regelmäßig zu Besuch. Er bemüht sich sehr, aber das Vertrauen zwischen meinem Großvater und Ocko ist wohl für immer zerstört.«
»Das wundert mich nicht, so wie Ocko sich damals verhalten hat.«
Als sie an der Reihe waren, bestellten sie für alle Bier und ließen sich zwei Tabletts geben, um ihre flüssige Fracht heile zurück an den Tisch zu bugsieren. Dort wurden sie mit großem Hallo empfangen, nur Wilhelm Jörgensen zeigte keinerlei Reaktion, als Eiken das Bier vor ihm absetzte.
»Ist Lena noch in der Zentralstation?«, erkundigte sich Eiken und setzte sich neben Leander.
»Ich weiß auch nicht, wo sie bleibt«, antwortete der und schaute auf seine Uhr. »Aber bei so einer Mordermittlung spielen familiäre Verpflichtungen ja nie eine Rolle.«
»Das klingt verbittert«, meinte Eiken und legte ihre Hand auf die Leanders.
»Ach was, ich wünschte
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