Leander und die Stille der Koje (German Edition)
mir nur, wir hätten etwas mehr Zeit füreinander. Ich habe schon eine Ehe in den Sand gesetzt, weil mir der Beruf wichtiger war. Das möchte ich mit unserer Beziehung nicht noch einmal erleben.«
»Bestimmt hat sie den Mörder bald, dann könnt ihr ein paar Wochen Urlaub machen. Lena sieht abgekämpft aus, du musst dich mehr um sie kümmern.«
»Das würde ich ja gerne«, beschwerte sich Leander. »Aber sie ernährt sich zur Zeit vom Adrenalin ihrer Karriereaussichten. Mir bleibt nichts anderes übrig, als abzuwarten, bis sie sich auf ihr Privatleben besinnt.«
»So lange hast du ja mich«, erklärte Eiken neckisch und stieß mit ihrem Bierglas an seines.
Leander lächelte sie an und fragte sich einmal mehr, ob sie wohl ein Paar wären, wenn er nicht mit Lena liiert gewesen wäre.
Lena Gesthuysen und Dieter Bennings verließen die Zentralstation, um ebenfalls für heute die Arbeit ruhen zu lassen. Polizeimeister Groth saß gelangweilt an seinem Schreibtisch, blätterte durch ein Magazin und schaute nur kurz auf, als die beiden Kriminalbeamten sich von ihm verabschiedeten. Er hatte an diesem Tag Stallwache, falls von irgendwoher auf der Insel ein dringender Anruf bei der Polizei einging. Für derartige nahezu überflüssige, aber vorgeschriebene Aufgaben mussten immer die Rangniedrigsten herhalten, während sich die vorgesetzten Dienstgrade bei den Festlichkeiten vergnügen konnten.
Lena und Dieter Bennings schlenderten am Hafenbecken vorbei und blieben an dem einen oder anderen Stand stehen, der Modeschmuck oder Holzspielzeug anbot. Besonders ein Stand mit Socken und Strickjacken aus Schafwolle hatte es Lena angetan.
Heinz Baginski hatte an einem Tisch direkt neben einem Bierstand Platz gefunden und genoss gerade den ersten Schluck, als jemand hinter ihm sagte: »Respekt, dass Sie sich heute hierher trauen!«
Er blickte auf und erkannte den Reporter, diesen Brüning, mit dem er vor ein paar Tagen gesprochen hatte und der sich nun ohne zu fragen mit Bier und Bratwurst ebenfalls auf der Bank neben ihm niederließ.
»Na, wie geht’s?«, fuhr Brüning munter fort. »Haben Sie sich von dem Schreck erholt?«
»Wie man’s nimmt«, antwortete Heinz Baginski. »Von sowas erholt man sich nicht so schnell.«
»Das kann ich gut verstehen«, zeigte sich der Journalist anteilsvoll. »Man findet ja nicht jeden Tag eine Leiche. Und dann noch der Zusammenprall mit dem Mörder – das muss Ihnen doch in den Knochen stecken. Haben Sie eigentlich gar keine Angst?«
»Angst?«, erkundigte sich Heinz Baginski kleinlaut.
»Na ja, der Mörder ist schließlich noch nicht gefasst. Das heißt, der Mann, der Sie umgerannt hat und damit rechnen muss, dass Sie ihn wiedererkennen, kann hier überall sein. Ich an Ihrer Stelle hätte da Angst. Er weiß ja nicht, dass Sie ihn nicht identifizieren können.«
»Weil Sie das nicht geschrieben haben!«, beschwerte sich Heinz Baginski und fühlte, wie der Zorn in ihm hochstieg. »Wenn Sie in Ihrem Artikel erwähnt hätten, dass ich den Mann nicht erkannt habe, weil es ja viel zu dunkel war, dann müsste ich jetzt keine Angst haben.«
»Da ist was dran«, zeigte sich Bertolt Brüning zerknirscht. »Wie kann ich das nur wiedergutmachen?«
»Schreiben Sie es doch einfach morgen in Ihrer Zeitung«, schlug Baginski hoffnungsvoll vor.
Aber Bertolt Brüning schüttelte betrübt den Kopf. »Dafür habe ich nicht genügend Material, keine neuen Erkenntnisse, die einen weiteren Artikel rechtfertigen würden. Tut mir leid. Das lässt die Festlandsredaktion mir nicht durchgehen. Ich brauchte schon ein paar neue Informationen. Wissen Sie nicht noch etwas, das meine Vorgesetzten überzeugen könnte?«
Nun war es an Heinz Baginski, zerknirscht den Kopf zu schütteln.
»Ist Ihnen denn gar nichts mehr eingefallen, das Sie in Ihrem Schock neulich vergessen haben?«
»Nein, nichts.«
»Schade. Dann muss ich wohl abwarten, bis wieder etwas passiert.«
Heinz Baginski zuckte vor Schreck zusammen. Bertolt Brüning nahm enttäuscht einen Schluck von seinem Bier und biss genüsslich in seine Bratwurst, während Baginski unruhig auf der Bank hin und her rutschte. »Wäre ich doch bloß nicht über diesen blöden Zaun geklettert«, jammerte er.
»Für die Einsicht ist es jetzt zu spät«, beschied Bertolt Brüning, dachte dann aber einen Moment nach und fragte schließlich: »Sagen Sie mal, Herr Baginski, als Sie über den Zaun geklettert sind, haben Sie da eigentlich vorher nachgesehen, ob die Vogelkoje
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