Leander und die Stille der Koje (German Edition)
nur nichts mehr mit so vielen Menschen«, antwortete der. »Für heute habe ich genug davon. Jetzt ist mir nach Ruhe.«
»Dann schlage ich vor, wir gehen durch den Grünstreifen bis zum Nordsee-Kurpark, laufen dann am Strand zurück und verbringen den Rest des Nachmittags in deinem Garten.«
»So machen wir das«, stimmte Leander zu, und so wurde das dann auch gemacht.
15
Günter Wiese steuerte seinen Transporter über den holperigen Wirtschaftsweg, der von der Fläche 8 zurück zur Hauptstraße führte. Er hatte den Zustand der Info-Tafeln kontrolliert, sie notdürftig repariert und bei der Gelegenheit festgestellt, dass das Tarnnetz in dem kleinen Unterstand zerrissen war. Morgen würde er noch einmal herkommen müssen, um das wieder in Ordnung zu bringen, damit man unbemerkt von den Limikolen fotografieren konnte.
Er war heute spät dran, was allein daran lag, dass Anna am Nachmittag unbedingt zuerst zum Hafenfest gewollt hatte. Da hatten sie sich dann verquatscht und waren erst am frühen Abend wieder nach Hause gekommen. Jetzt dämmerte es bereits, so dass er gerade das Abblendlicht anschalten wollte, als er auf der Hauptstraße direkt vor sich zwei ihm gut bekannte Autos vorbeifahren sah, was ihn veranlasste, das Licht ausgeschaltet zu lassen, um nicht auf sich aufmerksam zu machen.
Das waren Ole Paulsen und Hein Frerich. Immer dieser Frerich, wie er den hasste! Der hatte schon in der Schule von Wiese abgeschrieben, weil er zu blöd gewesen war, auch nur die leichteste Rechenaufgabe zu lösen. Und später, als sie Nachbarn wurden, als Wiese den Hof am Deich gekauft hatte, waren sie plötzlich zu Feinden geworden. Frerich hatte gegen die Renaturierung gewettert, als wäre sein jämmerlicher Hof nicht ohnehin schon immer auf der Kippe zur Unrentabilität gewesen. Inzwischen grüßte der blöde Hund nicht einmal mehr, wenn sie sich begegneten.
Bei Hein im Wagen saß noch eine weitere Person, aber wer das war, konnte Günter Wiese bei diesen Lichtverhältnissen und auf diese Distanz nicht erkennen. Die waren nicht nur einfach so hier unterwegs, das war Günter Wiese klar. Langsam fuhr er gerade so weit an die Hauptstraße heran, dass er um den Mais herum beobachten konnte, wohin die Autos fuhren. Ein paar hundert Meter weiter bogen sie nach rechts ab; das war der Weg zum Wäldchen, der alten und seit langem stillgelegten Oldsumer Vogelkoje.
Als sie abgebogen waren, folgte Günter Wiese ihnen auf der Hauptstraße, vermied es aber immer noch, das Abblendlicht einzuschalten, um nicht zu früh gesehen zu werden. An der Abzweigung bog er ebenfalls nach rechts ab und folgte langsam dem mit Schlaglöchern übersäten Weg, bis er am Wäldchen vor dem Deich die beiden Fahrzeuge parken sah. Offensichtlich saß niemand mehr darin.
Wiese hielt an, sprang aus dem Wagen und eilte zum Kofferraum, um dort aus einer Tasche seine Videokamera zu holen. Jetzt hatte er die Mistkerle! Er würde sie auf frischer Tat ertappen, wenn sie mit ihrer Beute aus dem Wäldchen kamen. Das würde keinen Richter kalt lassen, denn bei derart schlechten Lichtverhältnissen war eine sichere Jagd unmöglich. Da nahmen diese Schweine billigend in Kauf, dass sie angeschossene Tiere nicht finden würden, die dann jämmerlich irgendwo im Gebüsch verreckten.
Wiese stieg wieder in sein Auto, machte die Kamera klar, fuhr langsam bis dicht an die parkenden Fahrzeuge heran und wartete ab. Die Dämmerung ging allmählich in Dunkelheit über, die abendliche Stille wurde in Abständen von Schüssen zerrissen, und Günter Wiese wartete. Nach einiger Zeit konnte er so gut wie nichts mehr erkennen, obwohl der Himmel sternenklar war, und er saß weiterhin geduldig in seinem Transporter und wartete. Auch die Jäger konnten nun mit Sicherheit nur noch auf gut Glück und nach Gehör schießen – eine Vorgehensweise, die gegen jedes Jagdrecht und gegen das Jägerethos sowieso verstieß. Und Günter Wiese wartete.
Lena und Leander beschlossen am Abend, sich das Höhenfeuerwerk im Hafen anzusehen. Zwar hatte keiner von beiden mehr Lust, sich dem Trubel auszusetzen, aber da so ein Ereignis wie Föhr on fire nur einmal im Jahr stattfand, wollten sie es sich auch nicht entgehen lassen.
Der Hafen war immer noch maßlos überfüllt. Die Tagesgäste würden erst nach dem Feuerwerk mit Einsatzfähren die Insel verlassen, und so war überhaupt nicht daran zu denken, irgendwo am Hafenbecken einen Platz zu finden. Also suchten sich Leander und Lena eine Stelle auf dem
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