Leander und die Stille der Koje (German Edition)
hier, zurück nach Hause und die Aufnahmen gleich ins Netz gestellt, damit alle Welt sehen konnte, aus was für Schweinen diese noble Gesellschaft von Jägern bestand.
In diesem Augenblick flammten vor ihm die Scheinwerfer der Jägerfahrzeuge auf. Die Männer hatten sich endlich gefasst und waren in ihre Autos gesprungen, um Wiese zu folgen. Mit dem Vorteil der kleineren Fahrzeuge, die noch dazu vorwärts fuhren, holten sie in Sekundenschnelle auf und blendeten ihn mit ihrem Fernlicht. Dagegen war Wiese wehrlos, seine eigenen Scheinwerfer waren ja kaputt. Jetzt zwängte sich eines der Autos neben ihn, während das andere ihn von vorne dicht bedrängte. Die Jäger hatten eindeutig den Vorteil, dass sie alles viel besser im Blick und die wendigeren Fahrzeuge hatten. Ole Paulsens hämisches Grinsen sah er nun direkt neben sich, und schon hörte er an seiner Fahrerseite ein hässlich kreischendes Schrammgeräusch, begleitet von einem heftigen Ruck zur Seite. Dann wurde er abgedrängt und konnte nicht mehr gegenhalten. Sekunden später bekam er einen harten Schlag in den Nacken, als sein Transporter rückwärts in den Graben fuhr und sofort festsaß. Der Motor heulte noch kurz auf, dann nahm Günter Wiese den Fuß vom Gas. Das Spiel war aus.
Am Bierstand wurde es auf einmal sehr laut. Eine Gruppe grölender junger Männer und Frauen, höchstens knapp im Erwachsenenalter, schlug mit den Gläsern auf die Theke, dass das Bier nur so spritzte, leerte sie dann auf ex und brach in noch lauteren Jubel aus.
»Schau an«, kommentierte Dieter Bennings das Geschehen. »Der traurige Halbwaise und seine Groupies.«
»Wer ist das?«, fragte Lena.
»Maarten Rickmers«, antwortete Bennings. »Der Typ mit der Baseballkappe und dem gelben Jackett.«
Rickmers verteilte die nächste Runde Biergläser unter seinen Freunden, von denen etwa zwei Drittel Mädchen waren, die ihm begeistert zujubelten. Dann griff er nach einem Tablett mit roten Schnäpsen und versenkte die Gläschen einzeln komplett in den Bierkrügen.
»U-Boot!«, rief eines der Mädchen begeistert und hängte sich an Maarten Rickmers’ Hals.
»Das ist Ariana Jeronski, seine Freundin«, erklärte Dieter Bennings.
Maarten Rickmers machte sich los, zischte ihr etwas offensichtlich nicht Nettes zu und widmete sich dann wieder den anderen Mädchen, denen er deutlich liebenswerter begegnete.
»Der Herr lässt die Puppen tanzen«, kommentierte Lena. »Ich für meinen Teil finde ihn auf Anhieb unsympathisch.«
In diesem Moment kam der Bürgermeister mit ernstem Gesicht von der Seite her auf die Gruppe zu, tippte Maarten Rickmers auf die Schulter und bedeutete ihm mit einer Kopfbewegung, dass er ihm folgen sollte. Maarten sagte etwas offenbar Abschätziges zu seinen Freunden, die das mit einem überzogenen Gegröle honorierten, und folgte dem Stadtoberhaupt ein paar Meter abseits in eine ruhigere Zone. Dort redete der Bürgermeister heftig erregt auf Maarten Rickmers ein und hob zwischendurch drohend den rechten Zeigefinger. Den Jüngling schien das wenig zu beeindrucken. Er hörte sich zunächst schweigend an, was der Bürgermeister zu sagen hatte, dann lachte er laut auf und erwiderte etwas, das er mit einem finsteren Blick begleitete. Dabei wagte er es sogar, dem Bürgermeister mit dem Zeigefinger auf die Brust zu tippen. Der war deutlich erbost und wandte sich schließlich einfach ab.
Maarten Rickmers kehrte lachend zu seiner Gruppe zurück und machte abwertende Handbewegungen über die Schulter in Richtung des Bürgermeisters, was ihm wieder zustimmendes Gelächter eintrug. Bürgermeister Ture Jacobsen stand nun mit ein paar gut gekleideten Herren im Pulk zusammen und redete wütend auf sie ein, immer wieder in Richtung Maarten Rickmers’ weisend.
»Da möchte ich jetzt gerne Mäuschen spielen«, verkündete Leander. »So ein Früchtchen, dieser Rickmers Junior. Der scheint sich in seinem zarten Alter der sozialen Stellung, die er geerbt hat, schon sehr bewusst zu sein.«
»Wer sind die noblen Herren, mit denen der Bürgermeister redet?«, erkundigte sich Lena bei Eiken, die ja als Einzige in ihrer Gruppe orts- und damit honoratiorenkundig war.
»Das sind fast alles Ratsmitglieder und leitende Angestellte der Stadt«, klärte die sie auf. »Der mit dem schwarzen Anzug und der hohen Stirn ist der Fraktionsvorsitzende der CDU; gleich daneben steht der Baudezernent, dann der Vorsitzende des Tourismusverbands. Der etwas verwegen aussehende Dicke mit dem Wuschelkopf und
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