Leander und die Stille der Koje (German Edition)
den Reißverschluss hoch und ging zum Waschbecken. Angeregt durch das Rauschen des Wassers aus dem Wasserhahn drückte Brodersens Blase nun fast schon schmerzhaft, aber er entkrampfte sich erst, als auch der zweite Mann die Toilettenanlage verlassen hatte.
Günter Wiese saß zusammen mit Melf Albertsen im Frühstücksraum seiner Pension, als seine Frau die Kriminalbeamten Lena Gesthuisen und Dieter Bennings hereinführte. Anna Wiese sah schlecht aus. Die Ereignisse der letzten Tage hatten sie sichtlich mitgenommen.
»Das trifft sich gut, dass Sie beide hier sind«, begrüßte Lena die beiden Männer, während Anna Wiese Anstalten machte, sich wieder zurückzuziehen. »Sie haben sicher schon gehört, was Ole Paulsen gestern Abend passiert ist?«
»Nein«, entgegnete Günter Wiese. »Was ist ihm denn passiert? Hat er sich auf der Jagd nach wehrlosen Tieren selbst in den Fuß geschossen? Erwarten Sie da bitte kein Mitleid von uns.«
»Beinahe. Nur dass es nicht der Fuß war, sondern die Lunge«, korrigierte Lena.
»Und er war es auch nicht selbst, sondern jemand anderes hat auf ihn angelegt und dreimal abgedrückt«, setzte Dieter Bennings nach und machte durch seinen Tonfall keinen Hehl daraus, dass er die Situation nicht dazu geeignet fand, auf Kosten des Gegners Späße zu machen. »Ole Paulsen liegt auf der Intensivstation und ringt mit dem Tod.«
»Meine Güte, wann hört das endlich auf?«, kam es verzweifelt von Melf Albertsen.
Erst jetzt fiel Lena auf, dass der Mann kreidebleich war und noch schlechter aussah als Anna Wiese. Der Arzt legte seinen Kopf in die Hände, beugte sich tief über die Tischplatte und schluchzte hemmungslos. Wie fertig musste der Mann sein, dass er sich diese Blöße gab. Oder war er nur ein schlechter Schauspieler?
»Herr Wiese, wo waren Sie gestern, nachdem Sie das Krankenhaus verlassen hatten?«, wandte sich Lena an den Elmeere -Vorsitzenden, der nun eine Hand auf Albertsens Schulter legte.
»Hier. Anna hat Melf und mich direkt nach Hause gefahren. Es ging mir immer noch sehr schlecht. Ich habe das Krankenhaus gegen den Rat der Ärzte verlassen, aber ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten. Ausruhen kann ich mich hier auch, und zu Hause habe ich wenigstens eine ansprechende Umgebung und meine Tiere. Die beiden können das bezeugen, wir waren bis spät in die Nacht hier im Frühstücksraum.«
»Stimmt das, was Ihr Mann da sagt, Frau Wiese?«, hakte Lena nach und beobachtete die Reaktion der Frau genau.
»Natürlich!«, antwortete die ohne jedes verräterische Anzeichen im Gesicht und legte ihrem Mann die Hände auf die Schultern. »Wir waren den ganzen Abend zu dritt hier. Melf ist völlig fertig, das sehen Sie doch. Wir haben überlegt, wie das alles jetzt weitergehen soll.«
»Sie meinen Ihren Verein?«, erkundigte sich Dieter Bennings.
Anna Wiese nickte betreten.
»Der Verein wird nicht angetastet«, ging ihr Mann dazwischen. »Unsere Arbeit ist sehr wichtig. Die opfern wir nicht, nur weil der Gegenwind schärfer wird.«
»Verdammt noch mal, Günter«, fuhr Melf Albertsen jetzt auf. »Es geht nicht mehr einfach nur um Gegenwind. Es geht um Menschenleben! Nahmen Rickmers ist tot, Ole Paulsen liegt auf der Intensivstation, auf dich wurde geschossen, auf mein Auto wurde ein Sabotage-Anschlag verübt. Was muss denn noch passieren, damit wir endlich aufgeben?«
»Was haben der Mord an Rickmers und der Anschlag auf Paulsen denn mit Elmeere zu tun?«, erhob auch Günter Wiese seine Stimme und blickte seinen Stellvertreter wütend an. »Warst du das etwa? War ich das? Nein, keiner von uns hat das getan. Also bitte! Wenn Paulsen auf mich schießt, gehört er in den Knast, und wenn jemand deine Radmuttern löst, der auch. Aber dass wir aufgeben, obwohl wir nichts verbrochen haben, und die anderen auch noch triumphieren, kommt überhaupt nicht in Frage.«
»Wollen Sie ein Geständnis ablegen, Herr Albertsen?«, fragte Lena nun in sanftem Ton.
»Ich? Wieso ich? Was für ein Geständnis?« Melf Albertsen blickte erschrocken zu ihr auf, sein ganzer Oberkörper war mit einem Mal angespannt, und es sah aus, als würde er jeden Moment aufspringen.
»Wenn ich Sie richtig verstehe, dann glauben Sie auch, dass all die Anschläge wechselseitig stattgefunden haben. Das heißt, die Anschläge auf Sie sind eine Antwort auf den Mord an Nahmen Rickmers, richtig? Herr Wiese sagt, er sei es nicht gewesen. Dann kommen doch nur noch Sie in Frage, Herr Albertsen. Machen Sie reinen Tisch. Sie
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