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Leander und die Stille der Koje (German Edition)

Leander und die Stille der Koje (German Edition)

Titel: Leander und die Stille der Koje (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Breuer
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Toilettenanlage hörte Tom Brodersen das Rauschen eines der Pissoirs, dessen Druckspüler wohl defekt sein musste, überdeutlich, zumal es durch die gefliesten Wände mehrstimmig widerhallte. Zusätzlich drangen aus dem angrenzenden Damen-WC in kurzer Folge die Geräusche der Druckspüler herüber. Offensichtlich frequentierten die in der Mehrzahl weiblichen Angestellten des Amtes Föhr-Amrum die Toiletten sehr rege, denn im Rat gab es trotz der Frauenquote in seiner Fraktion kaum weibliche Mitglieder. Wie sollte man dabei seine Ladehemmung überwinden?
    Jetzt wurde auch die Tür zur Herrentoilette geöffnet. Jemand trat an eines der Pissoirs, stöhnte leise und erleichterte sich sofort mit einem starken Strahl, der laut auf die Keramik plätscherte. Glücklicher Mann, der litt weder unter Harnverhaltung, noch unter sonstigen Hemmungen! Dazwischen rauschte die defekte Spülung ununterbrochen. Ein weiteres Mal öffnete sich die Toilettentür, und jemand trat offenbar wortlos an ein anderes Pissoir.
    Ob wohl schon einmal jemand das Grußverhalten auf Toiletten untersucht hatte? Es wäre doch sicher interessant, zu erfahren, ob in öffentlichen Bedürfnisanstalten die Regeln des guten Benehmens außer Kraft gesetzt waren und man deshalb nicht grüßen musste. Und wenn das nicht so war, dann gab es bestimmt ein Feld situationsspezifischer Floskeln: Hallo, wie läufts? oder Na, alles flüssig? Nicht so passend waren da wohl die sonst üblichen Grußformeln, wie z. B. Mahlzeit! oder Wie geht’s, wie steht’s? Bestimmt gab es auch geschlechtsspezifische Unterschiede, typische Männer- und genauso typische Frauengrüße. Tom Brodersen musste sich zusammenreißen, um nicht loszulachen, als ihm die Möglichkeit durch den Kopf ging, seinen Schülern ein solch linguistisches Spezialgebiet als Facharbeitsthema vorzuschlagen.
    Gut, dass ich nicht dazwischen stehe, dachte Tom Brodersen, der allein schon deshalb jetzt nicht zu pinkeln in der Lage war, weil da draußen jemand mithören konnte. Vielleicht sollte er doch einmal einen Psychologen aufsuchen, denn normal war das ja wohl nicht. Aber was sollte er dem erzählen? Herr Doktor, wenn mir einer auf den Schniedel guckt, dann kann ich nicht?
    »Wie steht’s?«, erkundigte sich nun einer der Männer da draußen, während ein Reißverschluss hochgezogen wurde.
    Na bitte, dachte Tom Brodersen, geht doch.
    »Beschissen«, war die im Detail doch eher unangebrachte Antwort des anderen Mannes, der, gemessen an dem Stakkato des sanften Plätscherns, das nun hörbar wurde, älter war und Prostataprobleme zu haben schien.
    Wer war das da draußen? Die Stimmen kamen Tom Brodersen bekannt vor. Er lauschte angestrengt, aber der hallende Raumklang und das Rauschen der defekten Spülung überdeckten die Feinheiten.
    »Wird Zeit, dass wieder Ruhe einkehrt«, meinte der Ältere nun. »Ich vermisse die Treffen in der Vogelkoje. Wenn ich daran denke, fängt’s bei mir gleich an zu jucken.«
    »Dem Manne kann geholfen werden«, antwortete die andere Stimme, die deutlich jünger klang. »Am Freitag um zweiundzwanzig Uhr. Den Ort teile ich dir noch mit.«
    »Bist du verrückt? Meinst du nicht, wir sollten erst mal die Füße still halten, bis der Mord geklärt ist und die Bullen wieder weg sind?«
    »Wie du willst. Aber ich bekomme da vielleicht einen interessanten Neuzugang. Wäre doch schade, wenn du nicht der Erste wärst, oder?«
    »Hör auf, der Erste wirst du wohl selbst gewesen sein. Also abgemacht, aber pass bei der Wahl des Ortes diesmal besser auf. Wir dürfen kein Risiko eingehen. Nicht auszudenken, was passiert, wenn das rauskommt.«
    »Keine Angst, dein Geheimnis ist bei mir in den besten Händen und sicher aufgehoben. Schließlich verdiene ich an dir und ein paar anderen ganz gut. Apropos, du wirst verstehen, dass unter den momentanen Umständen ein Zuschlag fällig wird. Sagen wir: fünfzig Prozent?«
    »Spinnst du? Höchstens zehn.«
    »Vierzig.«
    »Zwanzig.«
    »Dreißig, das ist mein letztes Wort.«
    »Fünfundzwanzig, mein allerletztes.«
    »Einverstanden. Du hörst von mir. Freu dich schon mal, ich habe da wirklich etwas ganz Besonderes für dich. Vielleicht kann ich das bis Freitag deichseln. Und was die Bullen angeht: Du kannst ganz beruhigt sein. Bestimmt ist bis Freitag schon alles vorbei, und die Schnalle und ihr Kollege sind längst abgereist. Lass mich mal machen, ich bin da dran.«
    Einer der Männer verließ die Toilette, ohne sich die Hände zu waschen. Der Zweite zog

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