Leander und die Stille der Koje (German Edition)
umfasste. »Lassen Sie sich nichts vormachen«, sagte er zu den Polizeibeamten und blickte dabei gezielt auf Brar Arfsten. »Die haben alle Dreck am Stecken. Von denen ist keiner besser als der andere. Warte nicht auf mich, Mutter. Heute kann es spät werden.« Dann ging er hinaus. Sekunden später fiel die Haustür ins Schloss. Das Knirschen der Reifen des davonrasenden Geländewagens auf dem Kies hörten sie bis ins Wohnzimmer.
Hilke Rickmers verzog das Gesicht und machte eine entschuldigende Geste.
»Gut, Frau Rickmers«, beendete Lena das Gespräch und erhob sich. »Wir werden den Fall jetzt abschließen. In ein paar Tagen wird die Leiche Ihres Mannes freigegeben, so dass Sie ihn dann beerdigen können.«
Brar Arfsten blieb im Wohnzimmer, während Hilke Rickmers sie zur Tür brachte.
»Eine Frage noch«, meinte Lena beiläufig. »Entschuldigen Sie bitte, aber es muss sein. Ihr Mann hatte zum Tatzeitpunkt keine Hose mehr an. Wie passt das Ihrer Ansicht nach zu dem Täter und der Totschlagtheorie?«
Hilke Rickmers fuhr sich erschrocken mit der Hand durch das Gesicht und blickte scheu zurück zum Wohnzimmer. »Jetzt kommen Sie mir nicht wieder mit Ehebruch«, sagte sie schließlich. »Bestimmt hat Albertsen es nur so aussehen lassen, damit man ihn nicht verdächtigt.«
»Sie wollen damit sagen, Melf Albertsen habe Ihrem Mann die Hose heruntergezogen, um vorzutäuschen, dass der sich mit einer Frau getroffen habe?«
»Natürlich, was denn sonst? Wenn Albertsen ihn erschlagen hat, war er ja wohl der Letzte, der bei ihm war, und dass mein Mann jetzt auch noch schwul gewesen sein soll, wollen Sie ja wohl nicht behaupten.«
»Der Zeuge, der die Leiche ihres Mannes gefunden hat, hat ausgesagt, dass möglicherweise zwei Täter am Tatort gewesen seien. Kann es sich dabei nicht auch um eine Frau gehandelt haben? Bitte, Frau Rickmers. Die Frau könnte eine wichtige Zeugin sein, die den letzten Beweis für Dr. Albertsens Schuld liefern könnte.«
»Unsinn. Davon weiß ich nichts. Mein Mann hatte sicher hin und wieder ein Techtelmechtel. Ich wollte das gar nicht so genau wissen. Aber er hatte es absolut nicht nötig, sich nachts in so einer schmuddeligen Hütte mit einer Frau zu treffen. Außerdem ist Albertsens Frau ja wohl nicht mehr auf der Insel, und eine Freundin hatte er nicht, soweit ich weiß. Überhaupt, was soll das eigentlich heißen, dass eine zweite Person dabei gewesen sein könnte? War sie jetzt dabei oder nicht?«
»Der Zeuge ist sich nicht sicher.«
»Dann setzen Sie gefälligst auch keine Gerüchte in die Welt. Guten Tag!« Sie schloss die Tür lautstark hinter den Beamten, die sich vielsagend anblickten und sich dann wieder ihrem Fahrzeug zuwandten.
Lena griff nach dem Handy und rief Jens Olufs auf der Wache an. »Ja, Lena Gesthuysen hier. Herr Olufs, schicken Sie bitte jemanden zu Hein Frerich. Wenn er nicht zu Hause ist, lassen Sie ihn im Oldsumer Krug suchen, und bringen Sie ihn auf die Wache. Danke, Herr Kollege. Bis gleich.«
»Warum holen wir ihn nicht direkt ab?«, erkundigte sich Dieter Bennings. »Wir sind doch ganz in der Nähe und können auch bei ihm zu Hause mit ihm sprechen.«
»Erstens wird es Zeit, dass dem Idioten mal jemand zeigt, wer hier das Sagen hat. Zweitens will ich das Spiel nicht immer auf fremdem Platz spielen. Drittens will ich ihn ärgern, weil wir ihm nämlich kaum etwas anhaben können für seine Schweinereien. Viertens soll er jetzt erst einmal eine Weile auf der Wache schmoren, bis wir da sind. Und fünftens habe ich Hunger und schlage vor, dass wir Inge Haferkorns Apfelgarten aufsuchen und eine ausgedehnte Mittagspause einlegen. Reicht das zur Begründung, Herr Kollege?«
»Frau Kollegin, alle Achtung! Ich muss schon sagen: Der letzte Punkt hat mich überzeugt.«
Hein Frerich schwankte zwischen Wut über die Demütigung, dass er weit über eine Stunde in der Zentralstation warten musste, und Unsicherheit angesichts der Tatsache, dass er nicht wusste, was nun auf ihn zukam. Diesen Zwiespalt konnte man deutlich auf seinem Gesicht lesen.
»Herr Frerich«, begann Lena, als sie sich schließlich in ihrem Büro gegenübersaßen. »Sie wissen vielleicht schon, dass Dr. Albertsen letzte Nacht verstorben ist?«
Der Landwirt zeigte keinerlei Regung, also ging sie davon aus, dass die Tatsache nicht neu für ihn war.
»Dann können Sie sich ja wohl auch vorstellen, dass wir nun Ihre Rolle in der Sache überprüfen müssen.«
»Meine Rolle? Was soll das
Weitere Kostenlose Bücher