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Leander und die Stille der Koje (German Edition)

Leander und die Stille der Koje (German Edition)

Titel: Leander und die Stille der Koje (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Breuer
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offen stand, und wartete, bis eine Frau mittleren Alters durch die Diele kam. Sie war schlank, wirkte sportlich und hatte kurze, dunkle Haare. Freundliche und hellwache braune Augen lächelten Leander entgegen.
    »Guten Tag, mein Name ist Leander. Ich habe die Infotafeln am Gehege gesehen und würde mich gerne näher informieren und vielleicht auch zu einer Inselführung anmelden«, stellte er sich vor.
    »Mein Mann müsste gleich wieder da sein. Der ist einkaufen. Ich bin Anna Wiese. Kommen Sie doch rein.«
    Sie trat zur Seite und lotste Leander per Handzeichen in einen Raum auf der rechten Seite des geräumigen Flures. Große, rustikale Tische aus dunklem Holz standen an den Seiten, eingerahmt von winkeligen Sitzbänken, wie man sie früher in Küchen hatte, dazwischen ein dunkelbrauner Esszimmerschrank mit altem Porzellan hinter den Glasscheiben. Der Raum lag in schummrigem Licht, weil vor den Fenstern Bäume und Büsche standen und die lange Seite direkt zum Gehege am Grünstreifen hinaus wies. Die Wände waren altmodisch tapeziert und wirkten nicht so, als sei hier in den letzten fünfundzwanzig Jahren renoviert worden. Etwa einen halben Meter unter der Decke verlief ein braunes Holzregal um den Raum herum, auf dem große und kleine Porzellankrüge in Reihe standen – die Ausbeute eines Sammlerlebens. Über der Tür zum Flur balancierte zwischen all dem Nippes völlig unpassend ein Beamer etwas wackelig auf dem Bord.
    »Nehmen Sie doch Platz, mein Mann ist sicher gleich da. Ich muss in die Küche.« Anna Wiese verschwand aus Leanders Blickfeld, und Sekunden später hörte er Geschirrklappern aus dem Nebenraum.
    Offensichtlich saß er im Frühstücksraum für die Pensionsgäste. Was anfangs etwas finster und erdrückend auf ihn gewirkt hatte, erschien auf den zweiten Blick gemütlich, und schließlich fand er die Mischung aus altmodischem Stil und Einfachheit geradezu sympathisch. Wahrscheinlich war gerade diese eigentümliche Ursprünglichkeit genau das, was naturverbundene Urlauber auf dieser Insel suchten.
    Durch die Tür zum Flur erblickte er nun eine Art Wandteppich oder Gobelin, jedenfalls ein großformatiges Wandbild aus Stoff, vielleicht sogar Seide, auf das ein Wappen und ein Spruch gestickt waren. Leander stand auf und trat etwas näher heran, um den Satz entziffern zu können. Friede ernehret, Unfried verzehret . Passte das zu einem Mann, der auf der ganzen Insel als Unruhestifter gehasst wurde? Konnte es einen Menschen geben, der eine solche Überzeugung mit seinem erbitterten Kampf für den Umweltschutz vereinbaren konnte?
    Draußen fuhr ein roter Transporter in die schmale Einfahrt. Jemand sprang heraus, warf die Fahrertür zu und lief an der Seite des Hauses entlang nach hinten. Direkt darauf öffnete sich eine Nebentür im Flur und eine tiefe Stimme begrüßte Anna Wiese in der Küche mit den Worten: »Vor dem Wochenende kaufen die Leute immer, als müssten sie für einen Atomkrieg vorsorgen. Diese Schlangen an den Kassen hältst du nicht aus.«
    Anna Wiese antwortete mit leiser Stimme etwas, das Leander nicht verstand. Er setzte sich wieder an den Tisch, konnte sich aber gleich wieder erheben, weil ein Mann von etwa fünfzig Jahren in ausgewaschenen Jeans, ebensolchem Jeanshemd und Turnschuhen in den Raum federte. Günter Wiese war kräftig gebaut, vielleicht sogar etwas korpulent, wirkte aber trotzdem nicht unsportlich. Ein grauer, sauber gestutzter Vollbart umrahmte ein breites offenes Gesicht, aus dem hinter einer Drahtbrille pfiffige Augen hervorblitzten. Die ganze Erscheinung war so natürlich wie beeindruckend und rundum freundlich. Der Mann strahlte eine unerschöpfliche Energie aus.
    »Günter Wiese, hallo. Sie interessieren sich für Elmeere ?«
    »Henning Leander, guten Tag, Herr Wiese. Ja, ich interessiere mich für Ihre Arbeit. Ich lebe seit einem halben Jahr hier in Wyk und habe aus der Zeitung gestern zum ersten Mal davon gehört.«
    »Das wundert mich nicht. Die Leute reden nur hinter vorgehaltener Hand über mich. Offiziell kennen sie mich gar nicht, und von Elmeere hat hier sowieso noch nie jemand etwas gehört. Das ist ihre Art von Widerstand. Aber das stört uns nicht, dann machen wir halt etwas mehr Reklame. Zum Glück gibt es ja das Internet.«
    »Ich will Ihnen von vornherein reinen Wein einschenken«, gestand Leander. »Ich bin zwar in erster Linie wirklich an Ihnen und Ihrem Verein interessiert, aber ich bin auch ein ehemaliger Polizist vom LKA und der Freund der

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