Leandra - Die Amazonenprinzessin (German Edition)
die Hütte des Jägers Adain liegt. Er hat einen Sohn.“ Akrissa verstummte, denn sie wusste nicht, wie er hieß. Amazonen interessierten sich nur für Töchter, deshalb gaben sie sich nicht die Mühe, den männlichen Kindern Namen zu geben.
„Der Junge müsste siebzehn Jahre alt sein, nicht wahr?“
Akrissa hatte vergessen, dass Iben damals das Baby zu seinem Vater gebracht hatte.
„Was soll mit ihm geschehen?“, fragte die Kriegerin, als Akrissa nicht antwortete.
„Ich will, dass du ihn tötest.“
Jede andere Amazone hätte nach dem Grund gefragt, doch Iben war ihr treu ergeben und nickte nur.
„Sicher wird der Vater Widerstand leisten.“
„In diesem Fall muss er ebenfalls sterben. Am besten nimmst du ein paar Amazonen mit, ich will nicht, dass der Junge entkommt.“
Iben erhob sich und sagte: „Wir werden sofort aufbrechen und Euch seinen Kopf als Beweis mitbringen.“
Akrissa lächelte, als Iben den Raum verließ. Ihr Hund hatte die Jagd begonnen, und sie zweifelte nicht daran, dass er erfolgreich zurückkehren würde.
Lara hatte den Seher in seine Gemächer gebracht und stellte ihm ein Glas Wasser hin, doch Enos schob es beiseite und schickte die Dienerin fort. Akrissa würde ihr eigenes Kind töten, wenn er Adain und Timor nicht warnte. Zum Glück konnte der Seher das, obwohl er den Palast nicht verlassen durfte.
„Taru!“, rief Enos, und der Papagei krächzte leise, dann flatterte Taru herbei und setzte sich auf den Tisch. Der große Papagei war ein Geschenk des Kapitäns für gute Dienste gewesen, und einen Moment strich Enos gedankenversunken über das rote Gefieder. Den Sturm jedoch hatte er nicht vorausgesehen, und er und Adain waren die einzigen Überlebenden gewesen. Der Papagei zwickte ihn in den Finger, um ihn daran zu erinnern, dass er am liebsten gekrault wurde.
„Nein, mein Lieber, dafür haben wir keine Zeit. Sag: wichtige Nachricht!“
Taru krächzte nur, und Enos unterdrückte ein Stöhnen. Gerade heute musste sich der Papagei zieren.
„Komm, zeig mir, dass du ein kluger Vogel bist.“
„Ich. Kluger Vogel.“
„Genau, und Adain hat bestimmt ein paar leckere Sonnenblumenkerne für dich.“
Aufgeregt begann Taru, mit den Flügeln zu schlagen.
„Wichtige Nachricht für Adain!“, schrie er, und Enos lächelte erleichtert. Um das Tier wieder zu beruhigen, kraulte der Seher Taru etwas. Danach stand er auf und holte aus der Truhe, in der er das Ritualzubehör aufbewahrte, eine grüne Kerze und aus dem Regal Papier und Federkiel. Enos zündete die Kerze an, nach einer Weile tünchte er den Federkiel in das warme Wachs und schrieb: Flieh mit deinem Sohn, denn Akrissa will ihn töten lassen.
Hoffentlich war die Nachricht lesbar. Er warte, bis das Wachs kalt war, und strich dann mit dem Zeigefinger über das Papier. Ja, es war gut geworden.
Enos faltete das Blatt und tastete nach Tarus Füßchen, um die Nachricht festzubinden. Als er fertig war, streckte Enos den Arm aus, und der Vogel hüpfte drauf. Der Seher ging zum Fenster und flüsterte Taru ins Ohr: „Denk an die Sonnenblumenkerne.“
Mit der freien Hand öffnete Enos das Fenster, und Taru flog sofort los. Der Seher lauschte, bis der Flügelschlag verklungen war. Wie mochte es enden? Nicht immer stand die Zukunft fest.
Du hast gar nichts bei mir gelernt , dachte Farina, als ihr klar wurde, dass Leandra die Straße entlangritt. Wie konnte die Prinzessin so dumm sein? Sie war den Dolch nicht wert. Farina unterdrückte ein Stöhnen, als sie sich daran erinnerte, dass sie sich stets für Leandra eingesetzt hatte, und nun hatte sie ihre eigene Mutter getötet. Nicht eigenhändig, aber auf eine Art, die genauso heimtückisch war wie ein Dolchstoß in den Rücken.
„Und mich“, flüsterte Farina und biss sich auf die Unterlippe, „hast du zwei Mal getötet, Leandra.“
Überrascht schmeckte sie ihr eigenes Blut und wischte sich über den Mund. Eine Weile starrte die Amazone auf den roten Flecken, dann lächelte sie. Auch Leandra würde schmerzvoll sterben.
„Vorwärts, Mira!“, rief Farina und trieb ihre Stute an.
Die Reise durch den Rothan-Wald war eine gute Gelegenheit, einen Vorrat an nützlichen Kräutern anzulegen. Leandra fand Heilpflanzen gegen Fieber, Blutungen und sogar Salvan-Blätter, die Schmerzen betäubten, am Wegesrand. An diesem Abend lagerten sie auf einer kleinen Lichtung. Während der Wallach zufrieden graste, aß Leandra rohe Steinpilze, weil sie kein Feuer machen wollte, das ihre Jägerin oder die Erben der
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