Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)
einem sonstigen elektronischen Gerät. Sie verschließen sich, sie wollen das Rundherum eigentlich gar nicht wahrnehmen. Dabei gäbe es in einer U-Bahn so viel zu beobachten!
In der U-Bahn hätte man auch die Möglichkeit, zu kommunizieren. Aber stell dir vor, das machst du. Stell dir vor, du sprichst in der U-Bahn jemanden an. Und wenn das dann noch dazu jemand tut, der so aussieht wie ich, mit Kugeln im Bart … Okay, ich bin diesbezüglich ein Sonderfall, denn mich kennen viele Menschen in Österreich. Wenn ich jemanden anspreche, dann zeigt das eine andere Wirkung auf die Menschen, als würde sie irgendjemand anderer anquatschen, der, so wie ich, Kugeln im Bart trägt.
Es ist meistens so, dass die Leute mich ansprechen, was mir nicht unangenehm ist. Ich unterhalte mich gerne mit ihnen, weil jede Begegnung mit einem Menschen eine Erfahrung ist, die mich weiterbringt oder aus der ich etwas lernen kann. Selbst dann, wenn eine Begegnung unangenehm ist und man sich vielleicht denkt „das ist ja ein schöner Volltrottel, hilfe“, handelt es sich um eine Erfahrung. Wenn man sich in der U-Bahn aber hinter ein elektronisches Gerät oder eine Gratiszeitung schutzsuchend verschanzt, schließt man damit Begegnungen, Beobachtungen und somit die Welt, wie sie ist, aus.
Clemens G. Arvay: Ich zitiere noch einmal die psychologische Glücksforschung: Glückliche Menschen zeichnen sich statistisch durch Folgendes aus: Sie haben ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl, sie sind optimistisch, sie gehen aus sich heraus und sind auch zu ihren Mitmenschen liebenswürdig, sie haben enge Freundschaften oder sie sind glücklich verheiratet. Sie gehen Tätigkeiten nach, bei denen sie ihre Fähigkeiten einsetzen können, zum Beispiel in der Arbeit, aber auch in der Freizeit. Sie sehen in dem, was sie tun, Sinnoder haben eine sinnstiftende Weltanschauung, sie schlafen ausreichend und betreiben Sport. Das sind, statistisch betrachtet, die Faktoren, die mit dem Glücklichsein zusammenhängen, mit einem positiven Lebensgefühl 3 .
Roland Düringer: Okay, glückliche Menschen haben also die genannten Eigenschaften, so sagen die Wissenschaftler, also diejenigen, die Wissen schaffen. Nun sollte man fragen: Was war zuerst? Sind sie glückliche Menschen und deswegen haben sie diese Eigenschaften oder haben sie die Eigenschaften und sind deswegen glücklich? Was war zuerst, die Henne oder das Ei? Das ist die Frage.
Clemens G. Arvay: Das ist eine sehr gute Frage. Was die Psychologie jedenfalls ganz klar sagen kann, ist, womit das Glücklichsein und das positive Lebensgefühl nicht zusammenhängen: Es ist definitiv nicht das Alter, es ist nicht das Geschlecht und es ist nicht der Bildungsgrad.
Das Glück hängt auch nicht davon ab, ob man Kinder hat oder nicht. Es ist nicht die körperliche Attraktivität und es ist vor allem nicht der materielle Wohlstand 4 . Sicher, das sagt schon der menschliche Hausverstand. Aber immerhin lässt sich auch das nun wissenschaftlich beweisen. Es sind eben doch andere Werte, die glücklich machen, als das Materielle.
Ein weltbekannter Psychologieprofessor aus den USA , David G. Myers, hat zehn Ratschläge niedergeschrieben, die bei Befolgung angeblich glücklich machen. Einer davon lautet: „Machen Sie sich klar, dass anhaltendes Glück nicht vom finanziellen Wohlstand abhängt, behalten Sie die Entscheidungsfreiheit über Ihre Zeit.“
Andere Punkte sind:
„Suchen Sie sich eine Arbeit und Hobbys, bei denen Sie Ihre Fähigkeiten einsetzen können. Geben Sie engen Beziehungen denVorrang. Blicken Sie über sich hinaus, zum Beispiel, indem Sie auch für andere etwas tun. Seien Sie dankbar für die positiven Aspekte in Ihrem Leben und pflegen Sie Ihr spirituelles Selbst“, also den Geist.
Dies sind die Empfehlungen eines international anerkannten Psychologen. Vieles davon deckt sich mit deinen eigenen Aussagen, vor allem beim Thema Zeit, also: „Behalten Sie die Entscheidungsfreiheit über Ihre Zeit. Suchen Sie sich eine Arbeit und Hobbys, bei denen Sie Ihre Fähigkeiten einsetzen können.“
Roland Düringer: Das meiste davon kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Aber: Wenn die Rahmenbedingungen, in denen wir uns befinden, uns die Umsetzung erschweren, was machen wir dann? Wenn wir nicht das tun können, was wir gerne tun, nicht die Arbeit haben, die uns zufrieden stellt, sondern einfach irgendeine, um das Leben zu finanzieren. Daher – und weil es auch in der Liste dieses Psychologen steht – ist
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