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Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition)

Titel: Leb wohl, Schlaraffenland: Die Kunst des Weglassens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roland Düringer , Clemens G. Arvay
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nicht überraschend, dass wir das alles als schön empfinden.
    Wenn wir von „der Natur“ sprechen, dann meinen wir meistens die Berge, die Pflanzen, die Tiere – alles, was uns umgibt. Diese Wesen stehen aber auf derselben Ebene wie wir. Auch die Pflanze wird geboren, kommt aus dem Samen und stirbt irgendwann. Was wir rund um uns als Natur wahrnehmen und steht mit uns auf einer Stufe, wurde ebenso „erschaffen“ wie wir. Es gibt aber noch einen zweiten Naturbegriff, nämlich die Natur als Abstraktion, als schöpferische Kraft, die das gesamte Universum erfasst.
    Roland Düringer: Ich verstehe, du meinst das gesamte Sein. Aber dennoch könnte unsere Funktion in diesem Spiel darin bestehen, die Schönheit der Natur zu erkennen und wahrzunehmen – also die Schönheit der Pflanzen, der Steine, der Tiere, der Sterne …
    Clemens G. Arvay: Würdest du dir nicht ein wenig missbraucht vorkommen, wenn dein Lebenszweck darin bestünde, die, die dich erschaffen hat, anzusehen, damit die, die dich erschaffen hat, angesehen wird? Wäre das nicht eine sehr narzisstische schöpferische Kraft? In einem Menschenleben kann so vieles passieren: Dramen, Schönes, Hässliches, Menschen hungern, Menschen erfahren fürchterliches Leid – und das alles nur, damit die, die uns erschaffen hat, sich von uns ansehen lassen kann?
    Roland Düringer: Wenn das meine Funktion, mein Daseinszweck wäre, würde ich mir nicht ausgenutzt vorkommen. Es wäre dann eben so und es gibt sicher Schlimmeres. Die Schönheit, die um uns herum existiert, nicht wahrnehmen zu können, weil man nur lebt, um zu arbeiten, wäre für mich zum Beispiel ein viel größeres Unglück. Wobei ja viele glauben, sie arbeiten, um zu leben.
    Ich halte es für sehr wichtig, sich bewusst zu machen, dass wir eines Tages sterben werden. Wir sollten das immer vor Augen haben. Der Tod betrifft jeden von uns, und ich glaube, dass die meisten Menschen diese Tatsache verdrängen.
    Eines Tages werde ich zu meiner Frau Regine „Adieu“ sagen müssen. Dieser Moment wird kommen. Entweder geht sie vor mir, oder ich gehe vor ihr. Es ist so. Ich hoffe aber sehr, dass wir dann auch die Gelegenheit haben werden, uns voneinander gebührend zu verabschieden. Das ist für den, der zurückbleibt, sehr wichtig. Angst sollte man vor all dem haben, was man uns vor unserem Tod noch antun könnte. Angeschlossen an lebenserhaltenden Maschinen, vollgepumpt mit Chemie – das ist keine schöne Vorstellung eines Lebensabends. Ich wünsche mir, einmal in Würde zu gehen. Ich möchte im Wald sterben, dort inmitten von Fülle und Pracht von diesem Leben lassen. Das ist für mich eine wunderbare Vorstellung.
    Wenn du dich mit der Natur beschäftigst, einen Garten hast, dann bist du immer mit dem Tod, dem Vergehen konfrontiert. Jedes Jahr hat seinen Zyklus, und danach beginnt das Sterben in der Pflanzenwelt. Alles wird braun, der Garten wird grauslich und hässlich. Die Pflanzen, die nicht winterhart sind, werden niemals wiederkommen. Wenn ich mich also als Teil der Natur verstehe, muss ich mich auch als Teil dieses Zyklus erkennen. Natürlich hat die Vorstellung vom Verschwinden aus dieser Welt für das einzelne Individuum eine starke Bedeutung. Im Großen und Ganzen ist es aber relativ bedeutungslos.
    Die Frage, die ich mir stelle, ist: Was kann ich tun, um so zu leben, dass das Sterben nicht zur Qual wird, dass es ein Übergang wird und nicht ein Jammern: „Ach, hätte ich nur, warum habe ich denn nur nicht …“
    Ich hätte gerne das Recht, zu sterben, wenn ich bereit dafür bin. Und ich möchte an einem Ort sterben, an dem ich mich wohlfühle – im Gefühl der Geborgenheit. Ich konnte mir nicht aussuchen, wo ich geboren wurde – sonst hätte ich mir auch einen anderen Ort ausgesucht als das Kaiser-Franz-Josef-Spital in Wien. Aber gehen möchte ich nicht in einem Krankenhaus. Gehen möchte ich lieber im Wald. Ob nun alleine oder umgeben von meinen Liebsten, kann ich heute und hier nicht beantworten.
    Ich glaube, dass man im letzten Moment im Grunde immer alleine ist. Das ist dann etwas, das ich mit mir selbst ausmachen werde. Bei unseren Gedanken an den Tod sollten wir uns auch immer vor Augen halten, dass er – der Tod – jederzeit und aus heiterem Himmel eintreffen kann. Hätten wir unseren Tod öfter vor unserem geistigen Auge, dann würden wir alle unsere Leben vermutlich anders gestalten. Wir tun so, als würden wir ewig leben. BeiMenschen, die eine schwere Erkrankung haben, eine

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