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Lebe deine eigene Melodie

Lebe deine eigene Melodie

Titel: Lebe deine eigene Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irmtraud Tarr
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heroisches Durchhalten. Und manchmal brauchen wir ein paar warme Hände oder wohlwollende Blicke, die uns trösten und ermutigen. Oder Freunde, bei denen wir nachts anklopfen können und sagen: »Hör mir zu, ich habe solche Angst!«
    Diese Geborgenheit, die einfach da ist und nichts fordert oder erwartet, kann lebensrettend sein.

Mut zum Mut
    »Älter werden ist nichts für Feiglinge.« Diesen Satz soll Mae West gesagt haben. Man kann ihm nur zustimmen. Die Ansprüche einer komplexer werdenden Welt verunsichern uns: Sei fit! Bilde dich weiter! Mach was aus dir! Bring deinen Papierkram in Ordnung! Pausenlos sollen wir irgendwelche Entscheidungen treffen, Vorsorge, Versicherungen, Vermögensanlagen, ohne sich der hierfür notwendigen Kriterien sicher zu sein. Ganz zu schweigen von der Herausforderung, auch noch sein Seelenleben auf Fitness und Effizienz zu trimmen, und jetzt schon seine Beerdigung zu »ent-krampfen« (Tiki Küstenmacher). Statt unsere Umstände zu beherrschen, werden wir eher schusselig, merken uns keine Namen und Telefonnummern, ziehen erst die Schuhe dann die Hosen an, verzwirbeln die Telefonschnüre und vergessen den Duschvorhang beim Duschen. Natürlich klingen Heilsversprechen süß, die eine Reduktion der Komplexität in Aussicht stellen: »Sagen Sie einfach Nein!«, »Entwirren Sie Ihre Familienbande!«, »Vereinfachen Sie Ihre Partnerschaft!« , »Mehr Haare durch positives Denken!« Diese Imperative machen das Leben schwer. Wie soll man ihnen bloß entsprechen?
    Eine besondere Haltung ist notwendig, um sich nicht unterkriegen zu lassen. Vor allem im letzten Lebensdrittel, wenn die körperlichen Kräfte nachlassen, geht es nämlich darum, sich in Furchtlosigkeit zu üben. Deshalb plädiere ich für den reflektierten Mut. Also nicht den Wagemut, wenn sich jemand ohne Ausrüstung einer gefährlichen Bergtour aussetzt, wohl aber den Mut auszuscheiden, was man nicht mehr braucht, wichtig zu nehmen, was wichtig ist, die Dinge beim Namen zu nennen, einzutreten für sich und diejenigen,
die es nötig haben, und vom Mut aufzuschreien, statt sich schweigend feige herauszuhalten.
    Mut fordert Stärke, weil er uns etwas abverlangt. Mut braucht Mut. Weil wir uns nicht nur für, sondern auch gegen etwas stellen. Mutig sein, beginnt damit, dass wir sagen, was wir meinen; tun, was wir sagen; und hochhalten, was uns hält. Darum wünscht man Menschen, die vor einer mutigen Entscheidung stehen, auch ein starkes Herz. Im Herzen sitzen unsere Kraft, Wärme und Leidenschaft. Dort ist der Ort, wo unsere Lebenskraft und unser Lebensvertrauen liegen. Nicht ohne Grund sprechen wir, wenn uns die Kraft verlässt, vom gebrochenen Herzen, vom wunden, zerriebenen, müde gewordenem Herzen und von der Apathie. Mut kommt aus dem Herzen, wie die Liebe und die Leidenschaft. So berichtet eine Freundin von ihrer verwitweten, alten Mutter, die eines Tages laut verkündete: »Ich habe mich verliebt!« Der Auserwählte war ihr Briefträger. Sie hatte den Mut, sich über Diskriminierungen und Status hinwegzusetzen und ließ sich auch nicht, wie sie sagte »die Lust auf Liebe durch nächtliches Dauerfernsehen austreiben«. Ihr war es gelungen, die verbleibende Zeit anders zu gestalten als mit Zeitvertreib, Warten und Jammern. Sie ist ihrem Wunsch zu lieben gefolgt, und hat sich nicht abgefunden mit der Gleichung »ältere Frau = nicht mehr begehrenswert, ohne Glanz und ohne Sex-Appeal«.
    Das mittelhochdeutsche Wort »muot« bedeutet das Innere, das Herz, der Geist, der Sinn. In anderen Sprachen wie dem Lateinischen, Spanischen, Italienischen gibt es kein eigenes Wort für Mut, sondern man spricht vom »animus« oder »animo«. Die Voraussetzung für Mut liegt nicht nur darin, dass wir ein Herz für etwas haben, auch unser Geist ist angesprochen, der sich etwas zu Eigen macht, sich mit einer Sache identifiziert und sie reflektiert. Es braucht also beides: Liebe und einen gebildeten Geist. Sie sind letztlich Kern jeder mutigen
Entscheidung. In der wunderschönen Erzählung »Le Petit Prince« beschreibt Antoine de Saint-Exupéry einen bemerkenswerten Weg, den man auch auf schwierige Herausforderungen anwenden kann. Als der kleine Prinz versucht, sich mit dem Fuchs anzufreunden, fordert dieser den Prinzen auf, ihn erst zu zähmen. »Du setzt dich zuerst ein wenig abseits von mir ins Gras ... jeden Tag wirst du dich ein bisschen näher setzen können.« Dieses Gleichnis beschreibt sehr poetisch, worauf es ankommt. Durch behutsamen, aus

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