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Lebe deine eigene Melodie

Lebe deine eigene Melodie

Titel: Lebe deine eigene Melodie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irmtraud Tarr
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Wiederholungen desselben, die nicht nur einem selbst, sondern auch anderen Leid bringen. Wer beispielsweise sein Leben auf Konfliktvermeidung ausgerichtet hat, wird wahrscheinlich erleben, dass genau das, was er vermeiden will,
sich in immer neuen Gestalten meldet, wie bei der Hydra, dem schlangenähnlichen Ungeheuer aus der griechischen Mythologie. Wenn es einen Kopf verliert, wachsen sogleich zwei neue nach.
    Erwachsenwerden als lebenslange Aufgabe steht und fällt mit der Übernahme von Verantwortung für die eigenen Wahlen, Entscheidungen und deren Konsequenzen. Und mit dem Wissen, dass es unsere eigene Reise ist, die uns niemand abnehmen kann und darf. Diese Einsamkeit anzunehmen, sich ihr zu stellen, sie auszuhalten und zu umarmen ist der Liebesdienst, den wir uns selbst erweisen.
    Die Scheinwerfer nach innen zu richten, statt von anderen zu erwarten, das sie »es« für uns richten, heißt, die eigenen Projektionen und Erwartungen an andere zurücknehmen. Natürlich haben wir alle Erwartungen. Sie sind auch notwendig. Was wäre die große Liebe ohne Projektionen? Der magische andere, der uns erlösen soll? Doch wissen wir alle, die schlichte Realität lautet: Auch er ist ein Mensch, der seine Reichtümer und Grenzen hat, der beides sein kann, gut und böse, genauso wie wir selbst. Aber es sind nicht nur die anderen, auf die wir unsere Projektionen richten, es sind auch Institutionen, Ideologien, Religionen, Arbeitsplätze. So wie wir von unseren Eltern erwarteten, dass sie unsere Bedürfnisse stillen, unsere Sehnsüchte nach Angenommensein erfüllen, erhoffen wir uns nun von unseren Partnern, Freunden, Schulen, Arbeitsstätten, dass sie uns das geben, was uns fehlt.
    Um die Mitte des Lebens setzt ein Prozess ein, der diese Erwartungen und Projektionen wegschwemmt. Sei es durch Schicksalsschläge, Zufälle, Handlungen anderer, Entscheidungen, die wir bewusst oder unbewusst trafen, die uns in dunkle Räume führten, die wir uns nicht ausgesucht haben. In diesen seelischen Räumen von Depression, Angst, Verlust, Versagen, Trauer entdecken wir vielleicht, dass wir zu
viel von anderen, von uns selbst, oder vom Leben überhaupt erwarteten. Wir realisieren, wie vieles es gibt, was wir nicht beeinflussen können, was außerhalb unserer Kontrolle liegt. Es mag widersprüchlich klingen, aber genau diese Erkenntnis lässt uns die eigenen Möglichkeiten entdecken, unser Leben zu interpretieren und ihm eigene Bedeutung und Dichte zu geben.
    Es gibt Reisestationen, da meldet sich die Seele unüberhörbar. Vor allem in Zeiten, in denen das Leben eher einem Kuddelmuddel gleicht, oder wenn die Ambivalenzen und Provisorien nach Klarheit verlangen. Symptome melden sich, die als Boten ankündigen, dass wir unsere Werte, Wahlen, Entscheidungen neu überdenken sollten. Symptome sind Versuche, etwas mitzuteilen, was anders nicht sagbar ist. Sie sind Mitteilungen, die uns auffordern, unsere Landkarten neu abzustecken, unsere Reise zu korrigieren und unsere Ziele zu hinterfragen. Die alten Griechen prägten dafür den Begriff »Metanoia« – Umkehr. Umkehren verursacht Angst und Unsicherheit, die sich in Träumen, Beziehungen, Körpersymptomen manifestiert. Wenn wir uns fragen, warum die Depression uns im Griff hat, warum wir von Panikattacken nachts wachgerüttelt werden, oder weshalb wir uns immer wieder selbst sabotieren, gilt es, die Logik der Symptome aufzuspüren. Zu fragen, was sie sagen wollen, was sie verkörpern, welche Konflikte sie ausdrücken. »Depression, was hast du mir zu sagen?« »Angst, wofür bist du da?« Diese Fragen führen dazu, dass wir auf unser eigenes Gefühl hören, das uns vielleicht daran erinnert, dass wir zu oft tun, was andere sagen oder was von ihnen erwünscht ist. Vielleicht will unsere Seele etwas ganz anderes ... oder einfach nur erhört werden.
    Symptome verlangen danach, beachtet, entziffert und verstanden zu werden. Sie sind immer eine Herausforderung,
die uns zwingt, näher hinzuschauen, sei es die Beziehung zu uns selbst, zu unseren Partnern, oder zu unseren Wahlen, Werten und Wünschen. Symptome sind Katalysatoren für Entscheidungen, weil sie anzeigen, dass unsere bisherigen Wahlen obsolet geworden und zu korrigieren sind. »Plötzlich hatte ich es satt, jeden Abend nach der Arbeit in der Kneipe abzuhängen. Es war eigentlich ganz schlicht: ich hatte endlich den Mut zu fragen, was ich hier eigentlich wirklich suche. Und die Antwort war ›heim kommen‹.« Für diesen Dozenten war es ein

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