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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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Denkweise? Warum stellte Andreas sich plötzlich quer? Die Diskussion war schwachsinnig. Das Ganze würde inklusive Fahrt höchstens zwei Stunden dauern und hinterher konnten sie sicher sein, dass alles in Ordnung war. Selbst rausfummeln . Von wegen!
    „Zieh dich an.“
    „Nein.“ Statt nach seiner Kleidung zu greifen, begann Andreas, eine Nummer in das Telefon zu tippen. Schnell war Sascha bei ihm und nahm ihm das Gerät aus der Hand, versteckte es hinter seinem Rücken.
    „Hey!“ Aufgebracht angelte Andreas nach dem Telefon.
    „Du spinnst wohl ein bisschen. Ich lasse dich da nicht anrufen.“
    „Dann sage ich eben nicht ab und gehe trotzdem nicht hin.“
    Verwirrt drehte Sascha sich um und sah in Richtung Schreibtisch. So viel Unvernunft auf einem Haufen hatte er selten erlebt. Er hätte ihm die Sache durchgehen lassen können, wenn keine Tamponaden in der Wunde säßen. Aber so? Nein. Keine Chance, sie mussten es hinter sich bringen.
    Überfordert dachte Sascha an die Worte seiner Tante. An ihre Besorgnis und ihr Angebot, dass er sie anrufen könne. Hatte sie so etwas geahnt? Dass es Probleme geben würde, bevor sie überhaupt das Haus verlassen hatten?
    Er wandte sich wieder Andreas zu; gerade rechtzeitig, um zu sehen, dass sein Freund auf dem besten Weg war, wieder unter die Bettdecke zu schlüpfen. Sascha wollte schon etwas sagen, als er die feinen Schweißperlen auf Andreas' Stirn bemerkte und ihm dämmerte, was vor sich ging. Hatte er nicht gestern gelesen, dass Vermeidung eines der größten Probleme von Menschen mit Phobien war? Dass sie sich von vornherein sperrten und alles taten, um der beängstigenden Situation zu entfliehen? Er hatte sich das nicht so recht vorstellen können, aber wenn er sich nicht irrte, war es genau das, was hier passierte: Andreas versuchte sich aus der Situation herauszumogeln.
    Nur: Was tat man dagegen?
    Unruhig strich Sascha sich durch die Haare und betrachtete seinen Freund, der ihm mit einem Mal sehr fremd war. Fremd und vielleicht sogar bedrohlich. Er erinnerte sich an ihre erste Begegnung, an das schmale, kranke Gesicht, dessen Anblick ihn so verwundert hatte, dass er die feinen Züge und den sinnlichen Mund daneben kaum wahrnahm. Andreas wirkte in seiner Zuflucht aus Decke und Kissen wieder genauso abweisend, krank und unbeständig wie damals. Aber Sascha wollte sich davon nicht ins Bockshorn jagen lassen. Man konnte diese Hindernisse überwinden. Sascha erschrak selbst über den harten Klang seiner Stimme, als er nach Andreas' Jeans griff und sie zu ihm auf das Bett warf: „Zieh dich an. Mir ist es egal, wie, aber wir fahren zur Klinik. Ich habe mir doch nicht den Arsch aufgerissen und Tanja das Auto aus dem Kreuz geleiert, nur damit du jetzt bockst.“
    Er wusste nicht, was er anderes tun sollte. Wenn es mit Logik nicht ging, musste er eben mit dem Kopf durch die Wand. Als Andreas nicht reagierte, setzte Sascha noch einmal nach: „Komm schon. Mann oder Maus?“
    Er wusste sich nicht anders zu helfen, als ihn bei seiner Ehre zu packen. Wenn er darauf immer noch nicht reagierte, war Sascha mit seinem Latein am Ende. Er sah keine Alternative mehr.
    Das ist nicht richtig, jaulte etwas in seinem Herz auf, aber es war schon zu spät. Die Worte waren draußen und mit ihnen die Herausforderung. Er verhielt sich grausam und wusste es, aber wie sehr seine Provokation ins Schwarze traf und wie sehr er Andreas wirklich damit wehtat, konnte er nicht erahnen.
    „Mehr Mann als du vermutlich“, giftete Andreas plötzlich bitter und sprang auf.
    Während er sich anzog, ließ er Sascha keine Sekunde aus den Augen. Wütend funkelte er ihn an.
    Aber vielleicht war das genau richtig , dachte Sascha sich heimlich.
    Trotzdem kam es ihm vor, als würde es ihn am ganzen Körper jucken. Sie hätten im Bett bleiben sollen; egal ob getrennt oder zusammen, in Andreas' oder seinem. Es kam ihm vor, als würde Andreas von ihm fort driften.
    Eine eisige Maske lag auf seinen Zügen und verbot es Sascha, sich ihm zu nähern.
    „Was ist nun? Ich bin soweit“, reckte Andreas das Kinn und stolzierte in den Flur.
    Noch immer stand Schweiß auf seiner Stirn. Sascha wollte die feinen Tropfen wegwischen und ihm sagen, dass alles gut werden würde. Aber irgendwie hatte er den richtigen Moment verpasst.
     
    Kapitel 33  
     
    Die Bahnschranken senkten sich. Eine willkommene Verzögerung, eine weitere Gelegenheit, nach Atem zu ringen und sich gleichzeitig zu wünschen, dass sein Martyrium bald ein

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