Leben Ist Jetzt
brauchen, ist
ihre Präsenz. Sie möchten, dass die Eltern sich Zeit für sie nehmen. So besteht die Kunst des Lebens darin, im Blick auf die beruflichen Anforderungen
durchaus schnell und effektiv zu arbeiten, aber immer auch langsame Zeiten zu haben, in denen man sich Zeit lässt, in denen man einfach nur füreinander da ist oder auch die Langsamkeit der Bewegungen genießt. Die Zeit des Betens oder des Gottesdienst dient seit jeher der Verlangsamung unseres
Lebens. Nicht erst im Alter, sondern mitten in der Schnelligkeit des Lebens sollten wir uns daher Inseln der Verlangsamung gönnen.
2. Leben ist Wandel – von Anfang an
J edes Leben wandelt sich. C. G. Jung meint, wer sich der Wandlung verweigere, der erstarre
innerlich. Lebendig bleibt nur der, der bereit ist, sich zu wandeln. Das Leben selber verwandelt uns, wenn wir uns darauf einlassen. Und jedes Alter
stellt seine eigene Aufgabe. Der junge Mensch muss sich seinen Stand im Leben erkämpfen. C. G. Jung warnt davor, in der Jugend schon zu sehr auf
spirituelle Werte abzuheben. Das sei oft ein Ausweichen vor den Herausforderungen der Jugend. Aufgabe des reiferen Alters jedoch sei es, die
Persönlichkeitswerte zu entwickeln. So schreibt Jung: „Umgekehrt ist das übertriebene Zurücksehen des reiferen Alters nach den sexuellen Werten der Jugend
ein kurzsichtiges und öfters feiges und bequemes Ausweichen vor der Kulturpflicht der Anerkennung der Persönlichkeitswerte und vor der von ihr geforderten
Unterwerfung unter die Hierarchie der Kulturwerte. Der junge Neurotiker hat Angst vor der Erweiterung seiner Lebenspflichten, der alte vor der Verengung
und Einschränkung der gewonnenen Lebensgüter.“
Nicht stehen zu bleiben auf unserer Lebensreise, nicht zu erstarren, sondern immer wieder neu anzufangen, in diesem
Wechsel von Abschied und Neubeginn dem Ruf des Lebens zu folgen und so in eine immer größere Weite zu gelangen, das gehört zu dieser Kunst der
Wandlung. Hermann Hesse hat sie in seinem berühmten Stufen-Gedicht beschrieben:
„Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern in andre,
neue
Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft zu leben.“
Wer zu einer solchen Wandlung bereit ist, der wird auch die jugendliche Lebendigkeit in sich bewahren, auch wenn er an Lebensjahren
älter wird. Auf der einen Seite geht es darum, dass der junge Mensch sich den Aufgaben der Jugend stellt und der alte Mensch den Anforderungen des
Älterwerdens.
Von der Notwendigkeit, dass auch der alte Mensch die innere Jugend bewahrt, schreibt auch Albert Schweitzer: „Bewahre dein Alter, die
Jugend ist nicht nur ein Lebensabschnitt. Jugend ist ein Geisteszustand, sie ist Schwung des Willens, Wegsamkeit der Fantasie, Stärke der Gefühle, Sieg
des Mutes über Feigheit, Triumph der Abenteuerlust über die Trägheit. Niemand wird alt, weil er eine AnzahlJahre hinter sich gebracht
hat. Man wird nur alt, wenn man seinen Idealen Lebwohl sagt. Mit den Jahren runzelt die Haut, mit dem Verzicht auf die Begeisterung aber runzelt die
Seele. Du bist so jung wie deine Zuversicht, so alt wie deine Zweifel. So jung wie dein Selbstvertrauen, so alt wie deine Furcht. So jung wie deine
Hoffnungen, so alt wie deine Verzagtheit.“
So geht es beim Älterwerden nicht um ein Erstarren, sondern um eine ständige Verwandlung. Das Ziel der Verwandlung ist, dass das
Eigentliche durch das Uneigentliche hindurchscheint, dass das Ursprüngliche sich zeigt und all das Sekundäre, was sich über das ursprüngliche Bild Gottes
gelegt hat, zurückweicht. Verwandlung geschieht, ob wir wollen oder nicht. Aber es geht auch darum, dass wir einverstanden sind mit dem inneren Prozess
der Verwandlung. Sonst verbrauchen wir zu viel Energie, um den alten Status aufrecht zu erhalten. Doch diese Energie fehlt uns dann zum Leben. Nur wer
bereit ist, sich ständig zu wandeln, der bleibt innerlich jung und lebendig, obwohl er nach außen immer älter wird und auch zu diesem Älterwerden
steht. Wer die Verwandlung verweigert, der erstarrt, der wird schon als junger Mensch innerlich alt.
Wer möchte noch mal zwanzig sein?
Kinder haben Jugendlichen gegenüber ein gespaltenes Verhältnis. Auf der einen Seite wollen sie auch so groß und stark sein wie die
jungen Männer, die sie faszinieren. Sie wollen so schön aussehen wie die jungen Frauen.
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