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Leben Ist Jetzt

Titel: Leben Ist Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Grün
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Kinder haben
     Angst vor dem, was sie bedroht. Sie haben Angst vor dem Unbekannten, das ihnen in der Nacht im Traum begegnet. Und sie haben Angst vor Menschen, die sie
     laut anschreien oder die bedrohlich auf sie wirken. Aber Kinder leben auch in der Hoffnung, dass ihr Leben gelingen wird, dass Gott sie schützt und dass
     er ihnen eine besondere Aufgabe zugedacht hat. Jugendliche haben oft Angst vor der Zukunft, dass sie das Leben nicht schaffen, dass sie in der Ausbildung
     nicht so gut abschneiden, dass sie nicht die Arbeit bekommen, die sie erfüllt. Und Jugendliche haben die Hoffnung, dass sie das Leben meistern werden,
     dass sie ihre Lebensträume erfüllen werden, dass ihr Leben einen Sinn hat.

    Die Menschen mittleren Alters leben in der Angst, dass das Leben an ihnen vorbei gegangen ist. Sie fragen sich, ob das schon alles
     war, was sie bisher gelebt haben. Und sie haben Angst, durch das, was in ihrer Seele an Turbulenzen hochkommt, aus ihrer Bahn geworfen zu werden. Zugleich
     hoffen sie, dass sie neu einen Sinn in ihrem Leben finden, um dessentwillen es sich lohnt, weiter zu kämpfen und weiterzu arbeiten. Das
     höhere Alter hat Angst vor den eigenen Grenzen, vor der Hilflosigkeit, vor der Bedeutungslosigkeit, vor der Einsamkeit, vor der Krankheit, die sie zum
     Pflegefall werden lässt. Alte Menschen haben Angst, anderen zu Last zu fallen. Und doch hoffen sie darauf, dass sie ihr Leben in guter Weise abrunden
     können, dass sie bis zuletzt geistig wach bleiben, dass sie in ihrem Alter zum Segen werden für ihre Familien und dass Gott ihnen einen gnädigen Tod
     schenken möge.
Nur wer sich seiner Wahrheit stellt, wird heil und ganz
    „Erwarte das Alter/diese heilsame Zeit/ die hart genug ist/dich neu auszumessen“, heißt es in einem Gedicht von Wilhelm Gössmann. Ja,
     das Alter kann eine heilsame Zeit sein. Aber sie ist es nicht auf den ersten Blick. Auf den ersten Blick sehen wir im Alter mehr das Harte, das Abnehmen
     der Kräfte und die Krankheiten und Beschwerden, die immer häufiger auftreten. Doch Wilhelm Gössmann nennt das Harte des Alters das, was uns neu
     ausmisst. Wenn wir im Alter den Begrenzungen unseres Lebens begegnen, werden wir neu ausgemessen. Es wird deutlich, was uns wirklich gemäß ist. Unsere
     Wahrheit wird sichtbar. Der eigenen Wahrheit zu begegnen, ist oft genug schmerzlich. Dennoch ist es auch heilsam. Nur wer sich seiner Wahrheit stellt,
     wird heil und ganz – in jedem Alter.

    Eine Begrenzung des Alters ist die eigene Einsamkeit. Auch sie hat den Sinn, uns mit der eigenen Wahrheit zu konfrontieren. Anstatt
     uns abzulenken, sollen wir in der Einsamkeit uns selbst erkennen und uns Gott hinhalten, damit im Lichte Gottes offenbar wird, was in uns ist. Die frühen
     Mönche bringen die eigene Wahrheit mit der Demut in Beziehung. Demut bedeutet, den Mut zu haben, in die Tiefen der eigenen Seele hinabzusteigen, um die
     Wahrheit meiner Seelezu entdecken. Indem ich in die Abgründe meiner Seele hinabsteige, erkenne ich, was alles in mir liegt. Ich lerne
     mich in allen Dimensionen meines Seins kennen. Das ist das neue Ausmessen, das die heilsame Zeit des Alters an uns vollzieht, wenn wir bewusst auf das
     Alter warten, wenn wir uns bewusst darauf einstellen, dass wir älter werden.
Immer mehr durchlässig werden für den Glanz unserer Seele
    Was ist das Ziel unseres Weitergehens auf dem eigenen Lebensweg? Das Ziel unseres Wachsens und Reifens ist, dass wir immer mehr in das
     ursprüngliche und unverfälschte Bild hineingelangen, das Gott sich von jedem von uns gemacht hat. Sich zu wandeln und sich immer mehr selbst zu entdecken,
     immer mehr so zu leben, dass das Eigentliche durchbrechen kann durch das Uneigentliche, das Echte durch den Schein und so zu innerer Lebendigkeit und
     Echtheit zu kommen – das ist gemeint, wenn ich von diesem ursprünglichen Bild spreche. Dieses Bild ist oft genug verdunkelt durch die Erwartungen,
     die die Eltern oder die Lehrer und Erzieher an uns hatten, oder aber durch die Bilder, die wir uns selbst gemacht haben, durch die Bilder unseres
     Ehrgeizes, unserer Größenphantasien oder aber durch die Bilder unserer Selbstentwertung. Diese uns von außen übergestülpten Bilder sollen wir auf unserem
     Lebensweg immer mehr loslassen, damit das ursprüngliche Bild in uns klarer zum Vorschein kommt.

    Es ist ganz normal, dass dieses ursprüngliche Bild sich im Lauf des Lebens mit anderen Bildern mischt. Aber unsere Aufgabe ist es,
     immer

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