Leben Ist Jetzt
ihre Enkelkinder Socken und Pullover. All das sind sinnvolle Beschäftigungen, die für den alten Menschen zum Segen werden, aber auch für die,
für die er noch arbeitet und die die selbst gestrickten Socken ein Leben lang schätzen als Ausdruck einer Liebe, die bleibt.
Aber es gibt keine Normen für das Alter. Nicht jedem ist es gegeben, im Alter kreativ zu sein. Und wir sollten alte Menschen auch
nicht verzwecken.Wenn sie noch sinnvolle Tätigkeiten für sich finden, dann sollten die anderen sie darin unterstützen. Aber es gibt auch
alte Menschen, die das Gefühl haben, genug in ihrem Leben gearbeitet zu haben. Jetzt möchten sie sich anderen Dingen zuwenden: dem Lesen, dem Musikhören,
dem Reisen, der Stille. Auch das ist legitim. Wir dürfen den Wert eines alten Menschen nicht an seiner Leistung messen. Vielmehr geht es darum, ob er
lebendig bleibt. Der eine bleibt lebendig, indem er auch nach außen etwas tut. Der andere bleibt lebendig, indem er am Leben interessiert ist, indem er
sich weiter bildet, indem er wach die Zeit beobachtet und sich seine Gedanken macht.
Sich mit Dingen beschäftigen, die wirklichen Wert haben
„Wer rastet, der rostet“: Das sagen viele, die vom „Rentnerstress“ befallen sind und – kaum sind sie aus den beruflichen
Pflichten und Bindungen entlassen – im sogenannten „Ruhestand“ noch mehr Aktivitäten, noch heftigere Unruhe entwickeln als früher.
In jedem Sprichwort – und so auch in dem zitierten – steckt ein Körnchen Wahrheit. Wer nichts tut und sich nur ausruht auf
dem Vergangenen, der kann leicht rosten, wie ein Eisen, das vom Rost befallen wird. Doch wenn sich Rentner vom Stress bestimmen lassen und ihn sogar
selber suchen, dann stimmt etwas nicht mehr. Dann wollen sie sich beweisen, dass sie noch leistungsfähig sind. Dann ist ihre Arbeit zu sehr vom eigenen
Ego geprägt. Da haben wir den Eindruck, dass jemand nicht loslassen kann, dass er Angst hat, nicht mehr gebraucht zu werden. Wer sich nur über seine
Arbeit definiert, der weigert sich, die Schritte der Reifung zu tun, die seinem Alter angemessen sind.
Es ist sicher nicht sinnvoll, als Rentner noch mehr zu arbeiten als zuvor. Manchmal prahlen Rentner damit, was sie noch alles tun,
dass sie überhaupt keine Zeit haben. Aber dieses Prahlen ist nur Zeichen einerpervertierten Welt. C. G. Jung sagt, solche Menschen
würden das Wesentliche des Alters übersehen, nämlich: auf das Rauschen der Bäche zu hören und auf die leisen Impulse der Seele zu horchen. Im Alter noch
mit seiner Arbeit zu prahlen ist Zeichen eines narzisstischen Menschen, der nur um sich selbst kreist und sich vor aller Welt beweisen.
Als ein siebzigjähriger Mann dem Zenmeister Karlfried Graf Dürckheim voller Stolz erzählte, dass ihm noch eine gefährliche
Bergbesteigung gelungen sei, vor der sogar junge Menschen zurückschrecken, antwortete ihm der Meditationslehrer: „Das ist eine Torheit. Was hat es für
einen Sinn, wenn Sie sich mit Leistungen Mut machen, die Ihr Alter bald nicht mehr zulassen wird, anstatt dass Sie sich mit Dingen beschäftigen, die
bleibenden Wert haben?“
3. Körper und Gesundheit
A m eigenen Leib spüren wir den Prozess des Älterwerdens, hautnah. Dieser Prozess beginnt beim einen
früher, bei anderen später. Manche Frauen genieren sich, wenn sie mit vierzig Jahren ein graues Haar in ihrer sonst dunklen Haarpracht entdecken. Oder sie
erschrecken wegen ihrer Falten im Gesicht. Viele versuchen heute, die körperlichen Anzeichen des Älterwerdens durch Schönheitsoperationen zu
vertuschen. Doch glücklich sind sie damit auch nicht. Wir haben oft ein Schönheitsideal von unserem Körper, das gegen unsere Natur ist. Jeder Körper ist
schön, wenn das Innere durch ihn hindurch scheint. Es gibt die spezifische Schönheit der Jugend, der Lebensmitte und des Alters. Manchmal wird das Gesicht
mit dem Alter noch schöner. Es wird immer durchscheinender für den Geist, oft auch für die Liebe und Milde. Wenn ein Gesicht Liebe und Milde ausstrahlt,
dann schaut man es gerne an. Dann hat es seine eigene Schönheit.
Aber es geht nicht nur um die Schönheit. Das Alter zeigt uns auch, dass manches an unserem Körper verbraucht ist. Beim einen ist der Rücken der
schwache Punkt. Der andere hat Probleme mit den Knienund mit dem Gehen. Manchmal nehmen die Schmerzen zu und die Ärzte sagen uns, dass
sie nie mehr ganz verschwinden. Oder das Gehör lässt nach. Oder die
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