Leben Ist Jetzt
die Angst anschauen
und mir vorstellen, was alles geschehen könnte. Gegen manche Eventualitäten kann ich organisatorischeMaßnahmen treffen. Bei anderen
Dingen, die eintreten könnten, hilft es nur, sich mit all seinen Ängsten in Gottes gute Hand fallen zu lassen und zu vertrauen, dass ich von Gott auch im
Alter nicht verlassen werde.
Es gibt äußere Dinge, die man tun kann. Wir können Vorsorge treffen, dass sich jemand im Alter um uns kümmert. Wir können mit den
Kindern besprechen, ob sie bereit sind, die Pflege zu übernehmen. Mit der Angst vor dem Heim kann man am besten so umgehen, dass man sich konkrete Heime
anschaut. Vermutlich wird man dabei erkennen, dass es viele gute Heime gibt, in denen Menschen auf gute Weise alt werden können. Wer aber lieber von
seinen Kindern gepflegt werden möchte, sollte sich mit den Kindern zusammen überlegen, was realistisch ist. Und zugleich sollte er vertrauen, dass er
nicht unbedingt eine Pflege braucht und vielleicht bis ins hohe Alter hinein für sich selbst sorgen kann.
Die Angst, ob man genügend Geld haben wird, kann dazu anregen, etwas für das Alter zurückzulegen. Aber dann sollen wir auch darauf
vertrauen, dass der Staat für uns Sorge trägt, wenn sich keiner mehr um uns kümmert. Wir fallen nicht aus dem sozialen Netz heraus.
Auch der Angst, dass der Partner vor uns stirbt, müssen wir uns stellen. Da gibt es kein Ausweichen.Aber wir können
darauf vertrauen, dass Gott uns auch Wege zeigen wird, das Leben zu meistern, selbst wenn der Partner nicht mehr da ist. Zugleich ist diese Angst eine
Einladung, sich zu überlegen, woraus wir leben. Lebe ich nur von meinem Partner? Bin ich selbst nicht auch einmalig? Wir sind nicht nur Ehepartner. Wir
haben auch eine eigene Identität. Natürlich wird es weh tun, wenn der Partner stirbt. Aber der Gedanke an seinen Tod lädt uns ein, jetzt dafür zu sorgen,
dass wir Freude haben an unserem Leben. Wir können für das gemeinsame Leben danken und darauf vertrauen, dass das, was gewachsen ist, auch durch den Tod
nicht zerbrechen wird.
Alter ist auch ein Geschenk – und eine Zeit der Gnade
Das Alter kann manchmal eine Last sein. Das kann man nicht verdrängen. Doch es ist gut, auch mal eine andere Sicht zu probieren. Ich
muss mein Alter nicht als Geschenk betrachten. Aber ich könnte einmal versuchen, mit dem Bild des Geschenks mein Leben im Alter anzuschauen und mich zu
fragen: Wo ist mein Alter wirklich Geschenk? Wo erlebe ich es als Geschenk? Vielleicht spüre ich dann, dass es auch eine Wohltat ist, nicht mehr kämpfen
zu müssen, in der Schule, um Prüfungen zu bestehen, sich nicht mehr jeden Tag dem Arbeitskampf auszusetzen, vieles gelassener sehen zu können. Jetzt im
Alter habe ich mehr Zeit für mich. Ich brauche nichts mehr zu leisten. Ich darf einfach sein und das Dasein genießen. Ich habe mehr Freiräume, das zu tun,
was meinem Herzen entspricht. Ich darf dankbar auf das zurückschauen, was ich geschafft habe, auf meine Familie, auf meine Kinder und Enkelkinder, auf
das, was ich im Beruf geleistet habe. Das gibt ja auch eine Befriedigung. Und so können wir im Alter erleben, dass unser ganzes Leben Geschenk war.
Die Frage ist, wie wir das Alter noch als Geschenk erfahren können, wenn der Leib nicht mehr so mitmacht, wenn wir krank werden oder
in der Bewegungsfreiheit eingeschränkt sind. Das ist sicher nichteinfach. Das ist ein Trauerprozess, in dem all das betrauert werden
muss, was nicht mehr möglich ist. Aber durch dieses Betrauern entdecken wir in unserer Seele neue Chancen: die Möglichkeit, nach innen zu gehen, leisere
Töne anzuschlagen, in der Stille zu lesen, nachzudenken, Musik zu hören, sich ganz auf die Gespräche mit den Kindern und Enkelkindern einzulassen, bewusst
die Luft wahrzunehmen, die wir einatmen. Es gibt in jeder Situation etwas, für das man dankbar sein kann. Wer einmal überlegt, wofür wir alles dankbar
sein können, wird eine Ahnung davon bekommen, dass das Alter nicht nur eine Last ist, sondern wirklich auch ein Geschenk.
7. Zeit wird kostbar
W as unbegrenzt zur Verfügung steht, wird in aller Regel nicht sonderlich geschätzt. Was knapp ist, ist
kostbar. Das Alter lehrt uns, auf andere Weise mit der Zeit umzugehen. Wir spüren im Älterwerden, dass die Zeit kostbar ist, zu schade, um sie mit
Nichtigkeiten zu füllen. Manche geraten bei diesem Gedanken unter Druck, werden unruhig und oder verfallen in Aktivismus. Es
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