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Leben Ist Jetzt

Titel: Leben Ist Jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Grün
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Kostbares darin sehen. Das gibt seinen letzten Tagen eine Würde. Manche kommen dann in dieser Phase in Berührung mit ihren tiefsten
     Sehnsüchten und mit ihrer wahren Gestalt, die lange Zeit verborgen war unter den Rollen, die sie gespielt haben.

    Abhängig von der Hilfe anderer zu sein, ist für manche nicht einfach. Wenn Sterbende von denen, die sie begleiten, erfahren, dass sie
     gerne mit ihnen die letzte Wegstrecke gemeinsam gehen, dann erfahren sie auch, dass sie wirklich bis zuletzt leben, auch wenn sie sich nicht mehr bis
     zuletzt äußern können. Sie wissen, dass jemand bei ihnen ist, der ihr Leben und Sterben für kostbar hält.
Die vielen Abschiede und der letzte Abschied
    Wir müssen uns in unserem Leben immer wieder verabschieden. Wir nehmen Abschied von der Kindheit, von der Jugend, von unserem Beruf,
     von Menschen, die wir liebgewonnen haben und die nun durch Umzug oder durch den Tod nicht mehr bei uns sind. Und wir müssen uns verabschieden von Bildern,
     die wir uns vom Leben gemacht haben, von Illusionen, denen wir nachgelaufen sind, um uns mit der Realität auszusöhnen. Der Tod ist der größte Abschied. Er
     fasst all die Abschiede zusammen, die wir während des Lebens einüben. Und zugleich sind die Abschiede, die wir während unseres Lebens vollziehen, eine
     Einübung in den großen Abschied des Todes. Wer während seines Lebens gelernt hat, sich auf gute Weise zu verabschieden, dem wird der Abschied auch im Tod
     gelingen.

    Ob uns der Abschied gelingt, hängt oft auch von Erfahrungen des Verlassenwerdens ab. Wenn ich als Kind von meinem Vater, meiner
     Mutter, einem Freund oder einer Freundin verlassen worden bin, dann tue ich mich schwer, Abschied zu nehmen. Jeder Abschied erinnert mich an die
     traumatische Erfahrung meiner Kindheit. Und so wird auch der Tod mich an diese Situationen des Verlassenseins erinnern. Und ich habe Angst vor dem Tod,
     Angst, völlig allein gelassen zu werden, allein durch dasdunkle Tor des Todes schreiten zu müssen. So ist es eine gute Einübung in das
     Sterben, sich mit seinen Erfahrungen des Verlassenwerdens auseinanderzusetzen. Ich soll mich dem verlassenen Kind in mir zuwenden und es in meine
     mütterlichen oder väterlichen Arme nehmen. Dann kann ich mir auch vorstellen, dass mich Gott im Tod in seine liebenden Arme aufnimmt. Dann verliert der
     Tod das Angsterregende. Er wird dann ein Abschied für immer sein, aber zugleich ein Neubeginn und ein Ankommen in der ewigen Heimat. Dort werde ich mich
     niemals verlassen fühlen. Dort ist kein Abschied mehr gefragt. Dort bin ich für immer daheim.
„ Jetzt ist der Anfang vom Rest deines Lebens“
    Das Sprichwort „ Jetzt ist der Anfang vom Rest deines Lebens“ stimmt für jeden Augenblick meines Lebens. Schon die frühen
     Mönche sahen es als eine Form von Spiritualität an, in jedem Augenblick neu anzufangen. So bittet ein Bruder den Altvater, mit dem er über seine
     spirituelle Praxis spricht: „Bete für mich, Vater, damit ich anfange.“ Und ein alter Mönch spricht von der Stimme Gottes, „die zum Menschen bis zu seinem
     letzten Atemzug ruft: Kehre heute um!“ Auch im letzten Augenblick des Todes können wir neu anfangen. So ist jeder Augenblick der Anfang vom Rest unseres
     Lebens. Dieses Bild soll uns ermutigen, das Vergangene zu lassen. Es gibt viele alte Menschen, die immer um die vergangenen Verletzungen oder Fehler
     kreisen. Sie können sich nicht verzeihen, dass sie nicht richtig gelebt haben, dass sie zu kurz gekommen sind im Leben. All das sind letztlich unnütze
     Gedanken, die uns im Alter nur beschweren. Sich dann zu sagen: „Jetzt ist der Anfang vom Rest deines Lebens“ lässt uns nach vorne schauen. Anstatt mich
     zu verurteilen oder zu bedauern, richte ich meinen Blick nach vorn. Jetzt, in diesem Augenblick fange ich neu an, fängt Gott mit mir neu an. Dann zählt
     das Vergangene nicht mehr. Entscheidend ist der jetzige Augenblick. Dieses Wort zeigt aber auch, dass jeder Augenblickkostbar ist. Denn
     Umkehr ist in jedem Augenblick möglich. Es ist nie zu spät, anzufangen und sich ganz und gar auf Gott auszurichten. Das ist ein Wort der Hoffnung für uns,
     aber zugleich schenkt es uns auch Hoffnung für die Menschen, die wir begleiten. Auch wenn wir den Eindruck haben, dass sie ihren Tod verdrängen oder dass
     sie sich Gott gegenüber verschließen, so dürfen wir doch vertrauen, dass auch der letzte Augenblick für sie der Anfang eines neuen Lebens sein

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