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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Mass
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aufpassen. »Die ganze Zeit.«

Kapitel 17: Meilensteine
    In der Zeit, die wir brauchen, um den Kofferinhalt durchzusehen, kommt unser halbes Haus vorbei. Mrs Sanchez sagt, wir sähen hungrig aus, und bringt uns Tacos. Ich tue so, als würde ich meinen essen, stecke ihn aber in meinen Rucksack und esse stattdessen eins meiner Erdnussbutter-Sandwichs. Bobby fragt, ob er mit Lizzys Puppe spielen darf, und sie erlaubt ihm widerstrebend, sie mit nach oben zu nehmen. Ich finde, es beweist Charakterstärke meinerseits, dass ich sie nicht mit der Puppe aufgezogen habe. Leicht war das nicht.
    Neben den diversen Dingen, die laut Mr Oswald in dem Koffer sein sollten, finden wir außerdem sechs Dollar und zweiunddreißig Cent in Ein- und Fünf-Cent-Stücken, zwei Fingerhüte, achtzehn rostige Nägel, eine alte Uhr mit kaputtem Zifferblatt, Dutzende Metalllaschen von alten Sodadosen, ein Sortiment Stanniolkugeln, drei ausgelaufene Batterien und einige reichlich tote Käfer. Jetzt, nur noch mit den Schlüsseln drin, ist der Koffer leicht genug, dass ich ihn alleine tragen kann. »Was glaubst du, wie viele wir haben?«, frage ich und lege in unserem Flur eine Pause ein, nachdem der Koffer über jede Treppenstufe gerumpelt ist.
    »Zweihundert?«, mutmaßt Lizzy.

    Ich nicke. »Mindestens. Wir werden Stunden brauchen. Tage.«
    »Dann nehmen wir den Koffer zu deiner Großmutter mit.«
    »Wenn wir heute Abend anfangen, schaffen wir es vielleicht morgen.«
    Lizzy schüttelt den Kopf. »Mir geht’s nicht besonders gut. Der Taco sitzt mir irgendwie quer, wenn du verstehst, was ich meine. Du kannst aber ohne mich anfangen.«
    Ich schüttle den Kopf. »Wir können auch bis morgen warten. Unsere Schlüssel sind entweder dabei oder sie sind es eben nicht.« Ich nehme den Koffer wieder auf und schleife ihn den Rest des Weges hinter mir her. »Wenn du irgendetwas brauchst, meine Mom hat so viele Magenmedikamente im Medizinschrank, dass du eine komplette Apotheke damit bestücken könntest.«
    »Danke«, sagt Lizzy leise stöhnend. »Ich leg mich einfach ein bisschen hin.«
    Ein paar Stunden später sitzen Mom und ich in der Küche beim Kartenspielen, als Lizzy an die Tür klopft. Sie hält sich den Bauch und sieht blass aus. »Mrs Fink? Ich glaube, ich brauche Ihre Hilfe.«
    Mom springt vom Tisch auf und befördert Lizzy ins Bad. Ich höre sie reden, kann sie aber nicht verstehen. Einmischen will ich mich ja nicht, aber ich mache mir doch Sorgen. Lizzy ist es noch nie schlecht geworden. Sie hat einen eisernen Magen, genau wie ich. Ich biege gerade rechtzeitig um die Ecke zum Bad, um mitzubekommen, wie meine Mom Lizzy auf die Wange schlägt. Als sie ihre Hand wegzieht, kann ich den roten Abdruck erkennen. Dann zieht Mom Lizzy an sich und beide fangen an zu lachen. Sie lachen !

    Mir fällt vor Schreck buchstäblich der Unterkiefer herunter. Mom hat mich noch nie geschlagen, und ich weiß, dass auch Mr Muldoun Lizzy nie geschlagen hat. »Mom! Was tust du da? Egal was Lizzy angestellt hat, so schlimm kann es gar nicht sein! Und außerdem ist sie krank!«
    »Ist schon in Ordnung, Jeremy«, sagt Lizzy und wischt sich eine Träne ab.
    Ich spüre, wie mir das Blut ins Gesicht steigt. »Wie, es ist in Ordnung? Mom, warum hast du sie geschlagen?!«
    »Ach, Liebling«, sagt Mom sanft. »Das ist ein alter Brauch, wenn ein Mädchen, äh, also wenn sie, hmmm …« Mom verstummt und schaut Lizzy an, als wäre sie sich nicht sicher, ob sie weiterreden soll.
    »Ich hab meine Periode bekommen!«, schreit Lizzy. »Gratulier mir. Jetzt bin ich eine Frau!«
    Ehrlich, wenn sich der Boden auftun und mich verschlingen wollte, ich wäre mit Vergnügen dabei. Ich weiß nicht, wohin ich schauen soll. Klar, in der Fünften haben alle Mädchen in der Schule einen speziellen Film zum Thema »Ich werde eine Frau« gesehen und wir Jungs durften inzwischen draußen Völkerball spielen. Und letztes Jahr habe ich Getuschel über Mädchen mitbekommen, die während des Unterrichts einen »Unfall« hatten und sich ihre Sweatshirts um die Hüfte binden mussten. Aber ich kann nicht behaupten, dass ich irgendwas davon begriffen habe. Lizzy erlebt also einen Meilenstein in ihrem Leben und ich bin außen vor. Da ich mich auf einmal wie das fünfte Rad am Wagen fühle, ziehe ich mich zurück und murmle dabei: »Ähm, herzlichen Glückwunsch, echt super, also okay, tschüss!«
    Mom schließt die Tür zum Bad, und ich höre, wie irgendwelche
Schachteln geöffnet werden. Ich wusste, dass

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