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Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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Oder weil sie verschwinden wollte. Oder weil sie ihr Mann ums Eck gebracht hat. Wir sollten nicht vergessen, dass die meisten Verbrechen im Familienumfeld geschehen.
    „Du musst uns auf dem Laufenden halten“, sage ich. „Und wenn dir irgendetwas seltsam vorkommt, dann rufst du uns sofort an.“
    Carmen strahlt. „Ich lege gleich morgen los.“
    In den nächsten zwei Stunden erzählen wir Carmen alles, was wir über die Bombendrohung und das Drumherum wissen. Sie hat eine schnelle Auffassungsgabe, das muss man ihr lassen. Irgendwann verschwinde ich in die Küche, um meine neue Garnelenkreation in Angriff zu nehmen. Garnelen, mit getrüffeltem Frischkäse überbacken, dazu ofenwarmes Baguette.
    „Dafür, dass ich so Meerestiere gar nicht mag, das ist ein Gedicht“, sagt Vesna. „Aber du hast sie unter Trüffelkruste auch gut versteckt.“
    Und Carmen sieht mich richtiggehend bewundernd an. „Was du alles kannst“, sagt sie und ich denke, vergessen wir das Wort Stiefmutter einfach, vielleicht können wir doch noch Freundinnen werden.

[ 7. ]
    Ich stehe mit Carmen im Vorzimmer. Meine Wohnung wirkt seltsam unpersönlich, kein Zufluchtsort wie in meiner Erinnerung, eigentlich nicht einmal real, eher wie eine Kulisse, wie die Erinnerung an eine Wohnung. Wie lange war ich schon nicht hier? Vier Wochen? Mehr. Wohl zwei Monate. Dabei ist alles sauber. Alle zwei Wochen schickt Vesna jemanden von ihrer Putztruppe vorbei.
    Carmen ist entzückt. „Genau so habe ich mir eine Wiener Altbauwohnung vorgestellt“, sagt sie. „Hohe Flügeltüren, Parkettböden, aber nicht wie in einem Schloss, sondern ein bisschen abgewohnt …“
    He, alles, was recht ist, „abgewohnt“ ist meine Wohnung wirklich nicht.
    „Und dieses niedliche kleine Badezimmer!“, ruft Carmen.
    Sie ist noch jung. Wahrscheinlich eine gute Idee, dass sie hier, sozusagen in unserer Obhut, wohnt. Und doch: Ein Eindringling. Unsinn. Dass ich hier gelebt habe, ist Vergangenheit. Viele würden mich darum beneiden, in einer Dachterrassenwohnung mit Blick über die Wiener Innenstadt sein zu dürfen.
    Ich erkläre ihr den Herd und den Warmwasserboiler, der einige Macken hat. Die Kühlschranktür steht offen, das ist vielleicht das Seltsamste für mich: Mein Kühlschrank ist leer. Ich schalte ihn ein und schließe die Tür.
    „Den brauche ich nicht“, sagt Carmen. „Ich glaube nicht, dass ich kochen werde.“
    „Aber Frühstück“, sage ich, „kalte Getränke.“
    „Okay“, lächelt Carmen, als würde sie mir damit einen Gefallen tun. „Ich bin total gespannt auf diesen Guru“, plaudert sie weiter, als wäre sie Gymnasiastin und keine Akademikerin, die Zerwolfs Bücher lesen kann. „Ich bin überzeugt davon, dass es sehr viel mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als wir uns vorstellen können. Aber gerade deswegen muss man so vorsichtig sein bei Typen, die uns etwas einreden wollen.“ Ich kann nur hoffen, dass sie nicht doch recht einfach zu begeistern ist.
    Carmens nächster Weg führt sie ins Schlafzimmer. Einer der beiden Kästen, Oskars Kasten, ist leer.
    „So viel Platz brauche ich gar nicht, keine Ahnung, wie lange ich bleibe. Vielleicht nur ein paar Tage. Oder dieses Postgraduate ist doch interessant und ich bleibe ein Jahr oder zwei.“
    Ich muss sie erschrocken angesehen haben, sie ergänzt: „Hier natürlich nur, wenn es dir recht ist und wenn Platz ist. Eigentlich schade, so eine Wohnung leer stehen zu lassen.“
    Hm, aber für mich noch immer beruhigend, dass es sie gibt. Sie ist mir viel lieber als das Geld, das ich für sie bekommen würde.
    Carmen kommt her zu mir und wirkt mit einem Mal unsicher. „Oskar müssen wir nichts davon erzählen, dass ich beim Guru nachforsche, oder?“
    Ich lächle. Ist ganz in meinem Sinn. Ich habe mir schon Sorgen gemacht, wie ich ihr beibringen soll, dass Oskar besser nichts davon erfährt. Ich kann mir vorstellen, was er davon halten würde. Ich schüttle den Kopf.
    Carmen sieht mich ernst an und sagt: „Ganz ehrlich, ich weiß es zu schätzen, dass du und Vesna mir das zutraut. Ich werde nichts verbocken. Ganz sicher nicht.“
    „Ganz sicher nicht“, wiederhole ich.
    „Weißt du“, fährt sie fast schüchtern fort, „Oskar ist total nett, nur dass er mein Vater sein soll… das muss irgendwie erst rein in mich …“
    „Finde ihn doch einfach als Oskar nett“, schlage ich vor. Und mich als Mira, füge ich in Gedanken hinzu.
    Wenig später stehe ich auf der Straße, in der Gasse, die ich so

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