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Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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sondern weil ich und meine Katze ja von etwas leben mussten, aber ich habe mich damals doch mehr mit den heiteren Seiten der Gesellschaft als mit Politik und Terror beschäftigt. Diesen Artikel habe ich sicher nie gelesen. Wer hat mir die Mappe zusammengestellt? Die Polizeiprotokolle. Verhofen? Ich gehe mit der Mappe unterm Arm durch das Großraumbüro zu unserer Sekretärin am Empfang und frage sie, wer das für mich abgegeben hat. Sie schaut mich ratlos an. Niemand. Und niemand habe zu mir gewollt. Könnte die Mappe in der Hauspost gewesen sein? Sie schüttelt den Kopf. Sie habe die Post heute selbst verteilt, für mich sei nichts Größeres dabei gewesen.
    „Und wie lange bist du heute schon da?“, frage ich sie.
    „Seit neun. Durchgehend. Marion ist krank, ich bin die ganze Zeit auf meinem Platz geblieben und habe mir nur von der Wirtschaftsredaktion ein gefülltes Ciabatta mitbringen lassen. Warum? Ist etwas mit der Mappe?“
    Ich schüttle den Kopf und gehe zurück zu meinem Schreibtisch. Gar nicht so einfach, sich am Empfang vorbeizuschleichen. Verhofen hat bei der UNO gearbeitet. Er hat Polizisten ausgebildet. Um welche Polizisten hat es sich gehandelt? Was genau hat er ihnen beigebracht? Ich werde ihn das fragen. Dann mache ich mich über die Polizeiprotokolle her.
    „Niederschrift vom 15.03.2009. Anwesend: Revierinspektor Johann Zenz und Gabriele Ploiner.“ Frau Ploiner gibt zu Protokoll:
    „Ich bin gegen ein Uhr in der Nacht aus meinem Auto in der Piaristengasse gestiegen. Ich habe das Auto versperrt und keinerlei Verdächtiges, auch keinen Menschen in der Nähe wahrgenommen. Ich habe mich genau umgesehen. Ich bin in die Zeltgasse abgebogen und nach rund zehn Meter läuft ein Mann auf mich zu. Er hat eine Mütze tief in die Stirne gezogen, obwohl es sicher zehn Grad gehabt hat. Er trägt eine weite dunkle Jogginghose und eine dunkle Jacke. Er versucht, mich in einen Hauseingang zu drücken, aber ich schreie laut, wie ich es im Selbstverteidigungskurs gelernt habe, und er läuft davon. Er hat mich am rechten Oberarm angegriffen, zu mehr Berührung ist es nicht gekommen, da ich mich rechtzeitig gewehrt habe. Konfrontiert mit den Fotos von Wolfgang Zermatt und den Fotos von einigen Unbekannten kann ich mit Sicherheit angeben, dass es sich bei dem Angreifer um Wolfgang Zermatt gehandelt hat.“
    Es folgen Belehrungen, Unterschrift, Akteneingang und all das. Klingt nicht eben wie eine versuchte Vergewaltigung. Mira, du hast gelernt, dass angegriffenen Frauen zu glauben ist. Viel zu häufig tut man sie als hysterisch ab oder wirft ihnen gar vor, einen zu kurzen Rock getragen zu haben. So als ob dann jeder das Recht hätte, hinzulangen. Auf der anderen Seite: Es gibt sie schon, die überängstlichen Frauen in der Nacht. Ich schreibe den Namen der Frau auf meine Schreibtischunterlage: Gabriele Ploiner. Ich will einfach nicht glauben, dass der Philosoph in der Nacht Frauen belästigt.
    Polizeiprotokoll Nummer zwei:
    Eine Frau mit dem Namen Emma Mandelbauer gibt an, Zerwolf habe sie gegen zwei Uhr früh in eine Einfahrt gezerrt, sie angekeucht und zu küssen versucht. Sie habe ihn in den Unterleib getreten und sei davongelaufen. Der Vorfall soll sich nur wenige Wochen nach dem ersten ereignet haben. Die Frau erkennt den Mann nach Vorlage einiger Fotos ohne Zweifel wieder.
    „Emma Mandelbauer“, kritzle ich auf meine Schreibtischunterlage. Was ist mit diesen Anzeigen eigentlich geschehen? Läuft das Verfahren noch? Hinter dem letzten Polizeiprotokoll eine kurze Aktennotiz: „Verdächtiger weigert sich weiterhin, zu sprechen. Zeugin Ploiner ist bei zweiter Befragung nicht mehr ganz sicher, ob es sich beim Angreifer um Wolfgang Zermatt gehandelt hat. Der Verdächtige wird aufgrund seiner bisherigen Unbescholtenheit (aber Verweis auf Polizeiprotokoll vom 04.12.2001) und seines guten Rufes noch einmal ersucht, sich binnen Frist von 6 Wochen schriftlich oder mündlich zu den Anschuldigungen zu äußern. Sollte das nicht geschehen, wird in Absprache mit dem Büro des Bundespolizeipräsidenten (öffentliche Bekanntheit!) entschieden, ob eine Beugehaft zu verhängen ist. Weitere Zeugen der Vorfälle waren nicht auffindbar.“ Die Frist, in der sich Zerwolf äußern soll, läuft in etwas mehr als zwei Wochen ab. Kann ein Mensch tatsächlich zwei Leben führen?
    Das längste Polizeiprotokoll ist so etwas wie die Zusammenfassung aller Verdachtsmomente zu Zerwolfs Umgang mit Terroristen und Terrorsympathisanten. Er

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