Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi
alles kaputtes Zeug.“
„Einen Tag davor war der Schuh so gut wie neu. Würde man nach dem Zerkleinern Leichenteile auf dem Förderband sehen?“, rufe ich.
Die beiden scheinen mich nicht verstanden zu haben, Slobo übersetzt, Ivan antwortet auf Bosnisch, Slobo sieht mich an und schüttelt den Kopf. „Das ist viel weicher als Asphalt, Knochen und Fleisch werden zerdrückt, drinnen ist eine große Mühle, sie schleudert Material immer wieder an die Wände, bis es ganz klein ist. Wegen Staub und Hitze kommt Wasser dazu, auch Körper hat viel Wasser, die Steine nehmen alles auf.“
„Dann es kommt durch Schlitz heraus“, ergänzt Franjo und deutet Richtung Förderband.
„Vielleicht ganz klein Knochen“, ergänzt Ivan. „Manchmal man sieht auch Stück Holz oder so. Metall wird vorher mit Magnet weggetan.“
Es ist heiß und staubig, für einen Moment fröstelt mich trotzdem.
Franjo schaut auf seine klobige Armbanduhr und nimmt einen großen Schluck aus der Mineralwasserflasche neben sich.
„Sie haben Weis hier gesehen“, brüllt Vesna eilig. „Er ist da mit einer ‚eleganten Dame‘ gewesen.“
„Nur mit einer?“, brülle ich zurück.
Franjo schüttelt den Kopf. „Ich habe dreimal gesehen. Eine Frau war mit schwarzen Haaren, eine blond und Dritte wieder dunkel, vielleicht eins und drei waren gleich.“
Ivan nickt. „Blonde ich habe auch gesehen. Aber nicht so genau geschaut. Anderes zu tun.“
„Und der konnte da einfach so herkommen?“, frage ich.
Diesmal übersetzt Vesna. Schnelle laute Antwort auf Bosnisch, beide Arbeiter deuten in die Richtung unserer Autos. „Sie sind nicht zu nah gekommen, haben von dort drüben hergesehen, es gibt so viele Leute, die auf der Baustelle irgendetwas arbeiten und kontrollieren, Ingenieure und so, man kümmert sich nicht, wenn es nicht gefährlich wird für sie. Weis hat einen Helm aufgehabt. Das war sehr gut“, sagt Vesna.
„Warum?“, brülle ich. Hat man etwa versucht, ihm etwas auf den Kopf zu werfen? Ist doch jemand hinter dem Guru her?
Vesna grinst. „Weil Polizei gestern Arbeitern Fotos gezeigt hat. Müssen von Franziska Dasch und Weis und Zerwolf und Herr Dasch gewesen sein. Frau Dasch hat übrigens keiner da gesehen. Und Weis sie haben nicht erkannt.“
Franjo grinst. „Ich war nicht sicher. Mit Helm sieht anders aus als ohne Haare. Besser, man redet mit Polizei nur, wenn ganz sicher. Wir müssen wieder arbeiten, Pause aus.“ Er steht auf.
Wenn uns noch etwas einfällt: Kein Problem. Slobo wird bis auf Weiteres hierbleiben. Diesmal bin ich höflicher. Ich stehe auch auf, verbiete es mir, mein schmerzendes Hinterteil zu reiben, gebe den Arbeitern die Hand und bedanke mich. Große, harte Hände. Franjo fehlt das letzte Glied des Mittelfingers. Arbeiterhände. Sie sind mir viel angenehmer als die manikürten, außergewöhnlich schönen Hände von Weis. Er hat seinen Jüngerinnen offenbar Recycling in Echt gezeigt. Allen von ihnen? Oder nur Bestimmten? Er wird es mir nicht sagen. Man müsste Berger erwischen, wenn Weis nicht da ist. Verdammtes durchsichtiges Glashaus.
In der Redaktion finde ich auf meinem Schreibtisch eine rote Pappdeckelmappe. Ich sehe sie misstrauisch an. Bomben verschickt man nicht in Mappen, Mira. Zumindest bisher nicht. Ich klappe sie auf und sehe einige alte Artikel aus dem „Magazin“, dazu die Kopien von drei Polizeiprotokollen, zwei sind recht kurz, eines hat mehrere Seiten. Ich überfliege die Artikel. Alle haben mit Zerwolf zu tun. Einer trägt den Titel: „Terrorzellen in Österreich?“ Er handelt von mutmaßlichen Sympathisanten von Terroristen und stammt aus dem Dezember 2001. Ein Foto von einem Fernsehapparat, damals hat es noch keine Flat-screens gegeben, im Bild Zerwolf, der gerade etwas zu erklären scheint. Gut informierte und CIA-nahe Kreise bestätigen, dass sich der Philosoph wiederholt mit radikalen Islamisten aus Syrien und aus Libyen getroffen habe, einer von ihnen stehe als mutmaßlicher Drahtzieher bei zwei Attentaten ganz oben auf der internationalen Fahndungsliste. Zerwolf hat es damals offensichtlich abgelehnt, sich im Detail zu rechtfertigen, und nur gemeint, dass es doch nicht verboten sei, mit Menschen zu sprechen, deren Meinung man nicht teile. Und dass der eine Syrer gesucht werde, habe er nicht gewusst. Ich war zur Zeit, als dieser Artikel erschienen ist, schon beim „Magazin“, allerdings als Lifestyle-Journalistin. Zwar nicht aus reiner Begeisterung für Society und Lifestyle,
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