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Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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scheint insgesamt fünfmal Leute getroffen zu haben, denen Verbindungen zur Terrorszene nachgesagt werden. Dreimal in seiner Wohnung und zweimal im Café im ORF-Zentrum auf dem Küniglberg. Ich grinse. Wo überall Terroristen ein und aus gehen … Wenn es denn wirklich welche waren. Damals lief seine Philosophie-Sendung noch. Agenten der CIA müssen Zerwolf übrigens ziemlich unsanft aus dem Schlaf geholt haben, sie dürften einfach seine Wohnung aufgebrochen und ihn mit Fragen bombardiert haben. Er hat Anzeige wegen Hausfriedensbruch erstattet und sie später wieder zurückgezogen. Warum? Hat es irgendeinen Deal gegeben? Zerwolf hat damals ja noch gesprochen. Auch wenn er nicht viel zu den Anschuldigungen gesagt hat, finde ich in diesem zusammenfassenden Protokoll doch etwas mehr als im Artikel des „Magazin“ aus dem Jahr 2001: Er habe vorgehabt, ein Buch über die Ideengeschichte von Terrorismus und legalen Machtstrukturen zu schreiben und habe dafür die Denk- und Verhaltensmuster herkömmlicher Machthaber mit denen von politisch oder religiös motivierten Terroristen vergleichen wollen. Er habe in diesem Zusammenhang auch Interviews mit dem damaligen Bundeskanzler sowie mit einem Kardinal gemacht. Das Projekt sei nicht gescheitert, sondern er habe es verschoben. Er müsse erst Methoden entwickeln, um die relevanten Unterschiede in den Denkmustern erkennbar zu machen. Am Ende des Protokolls ein Stempel mit „Vertraulich“. Noch ein Stempel und dazu handgeschrieben: „Verfahren mangels Beweisen eingestellt. 06.05.2002“. Und eine unleserliche Unterschrift, eher schon eine Paraphe.
    Droch starrt mich durch meine Grünpflanzen hindurch an. Wie lange beobachtet er mich schon? Kann es sein, dass ich, in Gedanken, in der Nase gebohrt habe? Ich nehme ertappt den Finger aus dem Gesicht. Ihm kann ich die Mappe zeigen, er hält dicht. Ich muss mit jemandem darüber reden. Und da ist Droch nicht irgendjemand, sondern der Allerbeste. Ich deute, er solle doch näher kommen. Droch schiebt zwei Philodendronblätter zur Seite und ist neben meinem Schreibtisch.
    „Na, interessant?“, fragt er, und in der Sekunde begreife ich: Es war nicht Verhofen, der mir die Mappe gebracht hat. Es war Droch. Und ich werde nicht den Fehler machen, zu fragen, woher er die Polizeiprotokolle hat.
    „Sehr interessant“, nicke ich und lächle ihn dankbar an. Wir verstehen einander ohne weitere Worte. Zumindest in dem Fall.
    Am nächsten Vormittag hetzt Vesna zwischen einem Kunden, der plötzlich nur eine „inländische“ Reinigungskraft möchte, der Kabelfirma, der laufend Buntmetall abhanden kommt, und ihrem Marathon-Training hin und her. Heute stehe Yoga auf dem Programm, hat sie mir erzählt. Ich muss verblüfft geschwiegen haben. „Es geht um Atmen und mentale Stärke. Die kann jeder vernünftige Mensch brauchen.“ Hat schon was.
    Ich treffe mich mit Gabriele Ploiner auf einen Kaffee. Und ich überlege auf dem Weg zu ihr, ob Yoga wohl sehr anstrengend ist. Vielleicht wäre das ja etwas für mich. Im Atmen bin ich gar nicht übel. Sechsundvierzig Jahre Erfahrung. Im Telefonbuch habe ich nur eine Gabriele Ploiner gefunden, die in der Zeltgasse wohnt. Sie arbeitet als Sekretärin bei einer Baufirma, lebt offenbar allein. Unser Gespräch dauert nicht lange und mir ist klar, dass Gabriele Ploiner mehr als ängstlich ist. Dass sie damals in der Nacht alleine vom Auto zu ihrer Wohnung gegangen ist, war ein seltener Fall. Sie ist eine von jenen Frauen, die nie in Tiefgaragen parken, die drei Türschlösser haben, die genau Bescheid wissen, wann und wo die letzte Einbruchserie stattgefunden hat. Natürlich sei sie der Mann angesprungen, sagt sie zu Beginn. Um dann, nach unserer Plauderstunde, zu meinen: „Vielleicht ist er auch einfach in mich hineingerannt. Ich hab mir das schon überlegt. Aber der Anwalt hat gemeint, so etwas gibt es nicht, das dürfe man sich erst gar nicht einreden lassen.“
    Anwalt? Davon stand zumindest nichts im Polizeiprotokoll. „Wieso brauchen Sie einen Anwalt?“, frage ich.
    „Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen“, sagt sie und rührt im Bodensatz ihres Kaffees, als gäbe es da etwas zu lesen. „Es hat sich einer bei mir gemeldet.“
    „Wann?“
    „Das ist erst zwei, drei Wochen her. Er hat gesagt, dass er nichts verlangen wird, falls wir nicht gewinnen, aber dass ich mich dagegen wehren soll, dass das Verfahren eingestellt wird. Weil sonst hätte ich ein Problem mit Schadenersatzforderungen, und

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