Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi
Lautstärke.
„Nurie meint, die Verlegerin hat andere Frauen gemeint. Hat andere Frauen beschimpft“, erklärt Vesna.
„Könnte sie nicht auch Weis beschimpft haben?“, frage ich.
Vesna sieht mich zweifelnd an. „Sie sagt, Körpersprache hat nicht dazu gepasst.“
Hoffentlich ist die Körpersprache im Kosovo und bei uns annähernd gleich. „Wann hat der Streit denn stattgefunden?“
„Zwei Wochen vor der Literaturgala“, antwortet Vesna. „Ich habe ihr Kalender gezeigt, Nurie ist sicher.“
„Auf die Gala sind sie wieder gemeinsam gegangen“, überlege ich. „Und nachdem wir den Schuhteil von Franziska Dasch gefunden haben, war Weis in Moylens Wohnung. Sie verhält sich ihm gegenüber extrem loyal. Hat Nurie die beiden seit dem Streit noch einmal gesehen?“
Vesna übersetzt. Nurie schüttelt den Kopf. „Sie sieht Weis ganz selten“, erklärt Vesna. „Berger hat ihr den Job vermittelt, und mit ihm rechnet sie auch ab.“
Vielleicht hat Weis keine Ahnung, dass Nurie illegal in Österreich ist. „Berger und Weis – hat sie da irgendwann einmal etwas beobachtet?“ Es muss doch noch etwas geben.
Nurie schüttelt schon wieder den Kopf. Sinnlos, was soll es bringen, mit jemandem zu reden, der nichts versteht. Zwiegespräch zwischen Vesna und Nurie. Es wird intensiver. Vesna wirkt interessiert, beinahe aufgeregt. Ich bin es, die da nichts versteht.
„Was ist?“, rufe ich in den Dialog hinein.
„Gleich“, sagt Vesna und redet auf Bosnisch weiter. Wenig später sieht sie mich zufrieden an. „Nurie hat gesagt, dass sie Ida Moylen schon einmal früher gesehen hat. Ist länger her. Damals mit Berger.“
„Wo?“
„Na auch im Weis.Zentrum. Nurie ist gerade gekommen, und Moylen und Berger sind beim Parkplatz gestanden und haben sich geküsst.“
„Ein Kuss auf die Wange?“, frage ich Nurie und schmatze Vesna einen Kuss auf die Wange.
Nurie schüttelt den Kopf, beugt sich zu Vesna und tut so, als würde sie sie gleich heftig auf den Mund küssen. Vesna fährt erschrocken zurück. Nurie nickt, sagt etwas. „Auf den Mund. Mit Leidenschaft“, ergänzt Vesna. „Wann, weiß sie nicht mehr genau, aber es muss ein paar Monate her sein.“
Ich sehe Vesna an. „Kann es sein, dass Ida Moylen zuerst die Freundin von Berger war und dass Weis sie ihm ausgespannt hat?“
„Könnte sein“, sagt Vesna. „Aber du darfst Frauen nicht unterschätzen. Kann auch sein, dass Moylen den Guru interessanter gefunden hat. Vor allem wenn es um Buch geht, das ihrem Verlag Geld bringen kann. Oder es hat Berger auf Dauer nichts mit Esoterik-Verlegerin anfangen können.“
Ich schüttle den Kopf. Berger hat mir so einiges über Weis erzählt, das kein gutes Licht auf ihn wirft. Auch das wird jetzt verständlicher: Sie sind oder waren Rivalen. Der stille Berger und der Schaumschläger Weis. Berger hat etwas gesagt, das mich irritiert hat. Es hat so bitter geklungen. Irgendetwas über die Bedürfnisse von Frauen. Weis erfülle eben ihre Bedürfnisse oder so. Und dass sie nicht verstünden, dass Weis jede nehme, die er kriegen könne. Wenn er das auf Ida Moylen bezogen hat, dann scheint die Trennung wohl nicht von ihm ausgegangen zu sein. „Es ist Berger, der übrig geblieben ist“, fasse ich zusammen.
Vesna hat noch eine andere Idee. „Was, wenn die Verlegerin und Weis gestritten haben, weil sie wieder zurück wollte zu Berger? Vielleicht sie hat nur gesagt, sie ist keine Hure?“
„Und wie passt es dazu, dass sie doch wieder zusammen waren?“, frage ich.
„Das Buch“, sagt Vesna. „Vielleicht darf ihr Verlag das Buch von Weis nicht verlieren.“
Am Nachmittag erreiche ich endlich Emma Mandelbauer die Jüngere. Schon am Telefon macht sie einen resoluten Eindruck, keine, die sich so schnell fürchtet. Wir treffen uns in ihrem Schuhgeschäft. Es dauert nicht lange und ich bin überzeugt davon, dass Frau Mandelbauer nicht sofort nach der Polizei schreit, wenn sie in der Nacht von einem Jogger angerempelt wird. Mitte vierzig, robust, rote Haare, sicher neunzig Kilo. Sie beschreibt den Vorfall genau so, wie ich ihn in der Niederschrift lesen konnte. Und sie kann mich über noch etwas aufklären: Zerwolfs Bild sei ihr zusammen mit anderen vorgelegt worden, weil sich schon vorher mehrere Frauen von einem nächtlichen Jogger bedroht gefühlt hätten. Also habe eine Polizeistreife den Bezirk einige Tage beobachtet und Jogger kontrolliert und fotografiert. Emma Mandelbauer schaut skeptisch hinüber zu ihrer
Weitere Kostenlose Bücher