Leben, Liebe, Zuckerguss (German Edition)
belohnendes, Wochenende brauchen würde.
Selbstverständlich hatte sie sich inzwischen ein Auto angeschafft. Bisher hatte sie keins gebraucht, da Ulli schon immer einen Wagen hatte. Im Grunde genommen brauchte sie hier mitten in der Stadt kein Auto und hatte früher alles gut zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen können.
Aber in der Kanzlei erwartete man von ihr korrekt gekleidet zu erscheinen. Wie hätte es ausgesehen, wenn sie verschwitzt vom Rad gestiegen wäre? Und zu Fuß war es ihr zu beschwerlich geworden. Außerdem erledigte sie nach der Arbeit ihre Einkäufe, da war ein Auto durchaus praktisch.
Als sie unter der Dusche stand, freute sie sich wie ein Kind auf ihr Abendessen, dass sie sich gleich kochen wollte. Langsam hatte sie sich daran gewöhnt abends und an den Wochenenden allein zu sein. Anfänglich war es ihr schwer gefallen nicht ständig vor Gittes Tür zu stehen und s ie anzubetteln, zum Essen rüberzukommen.
Ein paar mal kamen Gitte und Steffen vorbei. Aber die beiden waren gerade am Anfang ihrer Beziehung und brauchten Zeit für sich, das wusste Julia und doch fiel es ihr schwer das zu akzeptieren. Die Zeit , in der sie mit Gitte zusammenwohnte, empfand sie bis dahin als die Beste in ihrem Leben. Noch nie hatte sie sich so wohlgefühlt.
Jetzt war sie oft einsam. Julia hatte durchaus Freunde und traf sie regelmäßig, aber sie musste nach einer Verabredung wieder in eine leere Wohnung zurückkehren. Obwohl sie Ulli nie geliebt hatte, so war das Leben mit ihm doch angenehm gewesen. Selbst wenn er ihr oft genug auf die Nerven ging. Es war immer jemand da, wenn man sich austauschen wollte.
Tatsächlich waren sich Ulli und Julia nah gewesen. Sie kannten sich gut und wussten genau, was der andere für Marotten hatte. Sie wusste, wann er seine Ruhe brauchte und sie ihn besser nicht ansprach. Auch wenn sie mehr von ihm wusste, als er von ihr und auf ihn Rücksicht nahm, war es doch schön mit ihm gewesen. Über die Jahre hatte sie sich daran gewöhnt, dass sie unterschiedlich waren und im Grunde genommen nicht zusammenpassten. Sie hatte sich schon immer darüber gewundert, dass dieser Umstand nur ihr aufzufallen schien, was offensichtlich daran lag, dass Ulli sie liebte. Erst als sie allein wohnte bemerkte sie, was sie an ihm gehabt hatte. Sie wollte es sich nicht eingestehen, aber er fehlte ihr.
Sie trat aus der Dusche, griff sich ein Badelaken und rubbelte sich ab. Normalerweise wollte sie nie nackt sein. Sie fühlte sich unwohl in ihrer Haut, sodass sie sich immer bedeckte. Ohne weiter darüber nachzudenken, ließ sie jedoch das Laken auf den Boden fallen und griff nach der Creme, die auf dem Waschbecken stand. Ihr Blick fiel seitlich in den Spiegel und sie erschrak fürchterlich.
Das war auf keinen Fall mehr sie selbst. Warum hatte sie es soweit kommen lassen?
Jetzt war der Zeitpunkt gekommen sich die Waage von Ulli zu nehmen und der Wahrheit ins Gesicht zu blicken. Sie ging, immer noch nackt, ins Schlafzimmer und kramte mühsam die Waage unter dem Bett hervor, wieder nach Luft schnappend, da sie sich bücken musste.
All ihren Mut zusammenreißend , stellte sie sich darauf. Doch sie schaute nicht nach unten, sondern an die Decke. Kurz überlegte sie, ob sie dem wirklich gewachsen war. Mutig senkte sie ihren Blick und augenblicklich wurde ihr schlecht.
So schlimm hatte sie es nicht erwartet. Auf der Anzeige grinste ihr eine muntere fünfundachtzig entgegen. Damit hatte sie nicht gerechnet. Als sie sich zuletzt gewogen hatte stand dort noch eine Zahl unter siebzig. Als sie noch dünn gewesen war wog sie läppische zweiundfünfzig Kilo.
Sie stieg von der Waage herunter, um sich gleich wieder drauf zu stellen, in der Hoffnung, die Anzeige hätte sich geirrt. Es war nichts zu machen, sie wog tatsächlich fünfundachtzig Kilo. Niedergeschmettert setzte sie sich auf ihr Bett, fing wieder an zu schwitzen und das obwohl sie noch immer nackt war.
Was sollte sie denn nun tun? Sie fühlte sich noch mehr als sonst einsam und hätte jetzt gern mit Gitte gesprochen, die wusste immer was zu tun war und konnte Julias Laune in Sekunden heben.
Julia hatte keine Ahnung, wie lange sie nackt auf ihrem Bett saß. Erst als sie anfing zu frieren konnte sie sich aus ihrer Starre befreien und sich etwas anziehen. Noch immer wusste sie nicht, was sie nun unternehmen sollte. Das es so nicht weiter gehen konnte, war ihr klar. Angezogen schlich sie in die Küche und öffnete den Kühlschrank.
6. Kapitel:
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