Leben, Liebe, Zuckerguss (German Edition)
Angst legte sich über Julia.
Die drei Freunde versuchten etwas zu Essen, obgleich keiner Hunger und schon gar kein Appetit hatte. Allen war allerdings nach Alkohol zumute. Wenn es gleich vorbei sein sollte, konnte man das nicht nüchtern ertragen. Julia hatte nur ein paar Flaschen Wein, die sie alle leerten. Gitte schlief irgendwann völlig betrunken auf dem Sofa ein.
Auch Julia hatte zu viel getrunken, ebenso wie Steffen, trotzdem wurden die beiden nicht müde. Nachdem in der ganze Nacht nichts furchtbares mehr zu passieren drohte, ging man im Morgengrauen ins Bett. Als Julia gegen Mittag ihre Augen öffnete, war sie überrascht, dazu noch in der Lage zu sein. Sie war davon ausgegangen, wenn sie wach werden sollte, dann nur deshalb, weil gerade eine Bombe eingeschlagen hatte. Wobei sie sich nicht sicher war, ob sie das überhaupt merken würde.
Noch glaubte sie, dass eher früher als später die Welt untergehen würde. Daher entschloss sie ein reichhaltiges Frühstück einzunehmen. Wenn es bald zu Ende ginge, dann wollte sie wenigstens nicht hungrig sterben. Jetzt war es auch egal.
Den ganzen Tag schwelgte sie in Nahrungsmitteln, die sie sich das letzte halbe Jahr verwehrt hatte. Eigenartigerweise schmeckten ihr viele Dinge nicht mehr so wie früher. Lag das an den schrecklichen Umständen, oder hatte sie sich entwöhnt? Es war ihr einerlei, sie aß trotzdem alles.
Nach ein paar Tagen und nachdem alle Menschen, egal wo man hinkam, nur ein Gesprächsthema hatten, stellte Julia fest, dass die Welt wohl doch nicht untergehen würde. Ganz langsam ging das Leben einfach weiter. Jeder ging zur Arbeit, außer ihr, da sie noch immer Urlaub hatte. Nach dem dritten Tag wurden die Gespräche darüber schon weniger, nur wenn man jemanden bis dahin noch nicht gesprochen hatte, war das Erste, zu fragen, wo derjenige gewesen sei und wie er davon erfahren hatte.
Nach ein paar Sätzen ging man allerdings wieder zur Tagesordnung über. Julia hatte durch ihre willenlose Kalorienzufuhr drei Kilo zugenommen. ‚So ein Mist‘, dachte sie, ‚dafür brauche ich wieder Wochen, um die runter zu bekommen.‘ Sie versuchte sich keine Gedanken mehr über das fortbestehen der Menschheit zu machen und irgendwie ihren Urlaub zu überstehen. Immerhin hatte sie erst die Hälfte hinter sich gebracht.
Eigentlich wollte sie sich nie wieder den Schmerzen eines Muskelkaters aussetzen. Aber sie wusste, dass es ohne Sport wohl nicht möglich wäre. Unter Aufbringung all ihrer Willenskraft zog sie sich um und machte sich auf den Weg zur Alster. Das Laufen fiel ihr ebenso schwer, wie beim ersten Mal. Bereits nach fünf Minuten war sie wie aus dem Wasser gezogen. Ihre Beine waren schwer, taten weh und da sie noch immer im Baumwoll-Shirt lief wurde ihr sehr schnell kalt.
Auf die Idee sich Laufkleidung in Hightech-Faser zu kaufen wäre sie nie gekommen. Noch immer war sie der Meinung, dass es auch so ging e. Sie schaffte es sogar drei Mal in der Woche zu Laufen und war wahnsinnig stolz auf sich. Aber sie nahm kein Gramm weiter ab. Nicht mal die drei Kilo, die sie zugenommen hatte. Aber warum nicht, was machte sie falsch? Sie verstand die Welt nicht mehr.
Alle sagten, dass Sport helfen würde. Immerhin wurde es in der dritten Woche ihres Urlaubs ein klitzeklein wenig besser. Sie bekam leichter Luft und die Seitenstiche ließen nach. Sie genoss es regelrecht mittags an die Alster zu gehen, um dort zu joggen. Dann war es meist leer und sie musste sich nicht so sehr schämen. Noch immer war es ihr peinlich, wi e untrainiert sie war und nicht einmal die ganze Alsterrunde schaffte.
Das Wetter wurde herbstlich und die Bäume fingen an sich zu verfärben. Sie mochte den Herbst, wenn die Sonne durch goldene Blätter schien und sich alles wie auf einer kitschige Postkarte veränderte. Abgesehen davon, dass es jetzt wieder früher dunkel wurde und die Temperaturen deutlich sanken, war dies ihre liebste Jahreszeit. Sie blinzelte durch das gelbe Laub in einen makellosen blauen Himmel. Die Wege waren teilweise vom Laub übersät, was ihr den Eindruck vermittelte wie auf Wolken zu laufen. Wenn sich dann am frühen Abend die Sonne mit einem atemberaubenden Sonnenuntergang verabschiedete, roch es bereits nach Herbst. Bald würde wieder die schlimmste aller Jahreszeiten beginnen und Julia gruselte davor. Umso mehr genoss sie diese paar Tage, in denen das Wetter schön war und sich der Herbst von seiner Besten Seite zeigte.
Die letzte Woche ihres Urlaubs war
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