Leben, Liebe, Zuckerguss (German Edition)
Hölle eingelassen zu werden.
In der Vergangenheit bestand der Kauf von Kleidungsstücken aus nichts anderem als eine Aneinanderreihung grausamer Demütigungen. Tapfer unterdrückte sie die sich ankündigenden Schweißausbrüche, je dichter sie dem Unvermeidlichen kam. Jeden Moment würde sie weinend vor den hinterhältig angebrachten Spiegeln zusammenbrechen, um festzustellen, dass alles reine Einbildung war und sie es niemals schaffen würde in eine Größe zu passen, die ihr als junge Frau abwegig groß vorgekommen war. Mittlerweile war sie mit ihren Nerven am Ende und hätte ihren erstgeborenen Sohn dafür hergegeben – den sie natürlich nie haben würde – wenn sie es je schaffen sollte eine der Hosen schließen zu können.
„Na los, Sie sind dran“, hörte sie eine weniger freundliche Frauenstimme hinter sich, „oder wollen Sie nicht, dann bin ich eben als nächstes dran, soll mir sehr recht sein.“
Und schon begann die Frau sich an Julia vorbeidrängeln zu wollen. Während die Verkäuferin mit einem eingemeisselten Lächeln ihr noch immer eine Marke mit der Zahl ihrer Kleidungsstücke entgegen hielt und meinte, sie müsse eines der Teile bitte bei ihr lassen.
„Ich nehme sie“, sagte die Unfreundliche und griff bereits danach.
„Nein, Sie sind noch nicht dran.“
Es überraschte Julia, dass die Verkäuferin ihr gegenüber so freundlich war, nahm ihr die Marke ab, gab ihr eine Bluse und schlich in die freie Kabine.
Tief holte sie Luft. Gleich würde sie hyperventilieren, davon war sie überzeugt. Sie dachte daran, wie peinlich es wäre, wenn sie halb angezogen aus der Kabine stürzen müsste, damit ihr die Verkäuferin aus dem viel zu engen Kleid half. Sie sah in einen der Spiegel. Ihr Gesicht hatte eine deutlich rote Färbung und glänzte. Warum war es hier nur so unerträglich heiß?
Sie legte ihre Tasche ab, hängte die Kleidungsstücke an den Haken und fing an sich auszuziehen. Als sie in Unterwäsche vor dem Spiegel stand, traute sie sich nicht ihren Blick zu heben. So oft hatte sie zu Hause das Resultat ihrer Mühen betrachtet und nun glaubte sie, es nicht ertragen zu können. Jeden Moment würde sie die Rückseite ihres Körpers sehen.
Die Frau, de ren Rücken sie fasziniert betrachtete, hatte sie noch nie gesehen. So jedenfalls kam es ihr vor. Denn nicht nur, dass sie dünn aussah, ihre gesamte Erscheinung glich der einer Sportlerin. Muskeln zeichneten sich ab, wo früher einmal entweder einfach Haut über ihren Knochen gespannt und später schwabbelige Masse das ganze verunstaltet hatte.
Ohne große Mühe konnte sie das Kleid schließen und sah nicht aus wie eine Presswurst. Die Tränen, die in ihr aufstiegen, war sie nicht in der Lage zu unterdrücken. Sie musste sich sogar setzten und war erstaunt, dass sie noch immer Luft bekam.
„Ich hab’s geschafft!”
Sie hatte ihr Handy aus der Tasche gezogen und Robert angerufen.
„Ich bin so stolz auf dich”, sagte er, denn er wusste, was sie damit meinte. „Ich liebe dich.“
Plötzlich wurde ihr schwindelig und erneut brach ihr der Schweiß aus.
„Julia?“, fragte Robert, denn sie hatte ihn angeschwiegen, „Ist bei dir alles in Ordnung?“
„Ja, danke, alles bestens.“
Sie konnte ihm nicht sagen, dass sie ihn auch liebte, da es nicht stimmte und sie wollte ihn nicht anlügen, so wie sie es mit Ulli getan hatte.
„Hast du später Zeit? Dann komm ich vorbei und wir feiern das ein bisschen”, sagte er zu ihr.
Ihm war klar, worauf er sich mit Julia eingelassen hatte. Aber gegen seine Gefühle konnte er nichts machen. Sie waren da und wurden immer stärker. Er hatte sogar schon angefangen darüber nachzudenken, seine Frau zu verlassen, da es für ihn unerträglich wurde, weiter mit ihr unter einem Dach zu leben. Seine Ehe war schon lange vorbei, dass musste doch sogar seine Frau einsehen. Gerne hätte er diese Problematik mit Julia besprochen, aber er hatte Angst, dass er sie zu sehr damit bedrängen würde und sie glauben könnte, dass er mit ihr eine feste Beziehung anstrebte. Nichts wäre ihm lieber gewesen, aber er hatte sich damit abgefunden lediglich ihr Liebhaber zu sein. Für ihn war das besser als nichts. Und doch spürte er, dass er über kurz oder lang dieses Verhältnis beenden musste.
„Ich würde dich wirklich gern sehen. Geht das denn? Es ist doch Wochenende”, antwortete sie.
Obgleich sie ihn nicht liebte, spürte sie eine tiefe Zuneigung zu ihm.
„Klar geht das. Kann ich über Nacht
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