Leben macht Sinn
ist.
Leben bejahen
»Der gebildete, innerlich werdende Mensch will, dass er selbst in allem sei, was er tut.« Dieser Satz stammt von dem Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel und drückt treffend aus, wie Sinn entstehen kann: in allem zu sein, was man tut. Was heißt dieses »in allem sein«? Man könnte schlicht sagen, bewusst seinen Weg gehen, ihn mit allen Sinnen erfahren und entschieden gestalten und mit sich selbst ausfüllen. Sich nicht jagen oder treiben lassen, sondern es selbst »in die Hände« und »in die Füße« nehmen. Ein schönes Beispiel dafür lieferte mir eine Klientin: »Ich hatte das Gefühl, ich muss einen Schlussstrich ziehen. Genug Klamotten, genug Geschirr, genug Bettwäsche, genug Schminke, genug Handtaschen, mehr als genug Schuhe. Aussehen, Angeberei, Attraktivität, das ist nicht mehr meine Sache. Früher war es für mich Statussymbol. Ich möchte nur noch Sachen besitzen, die mir etwas bedeuten, die wie Freunde sind. Seither ist mein Leben gefüllt mit mir, statt mit Krimskrams. Alles, was mich umgibt, ist von mir so gewollt. Seither passt mein Leben zu mir. Jetzt stimmt es einfach! Und ein Nebeneffekt – seither habe ich drei Kilo abgenommen.«
Auf diese Weise wird der Weg leichter. Man nimmt nicht zu viel Gepäck mit. »Überflüssige Dinge machen das Leben überflüssig«, sagt der Filmemacher Pier Paolo Pasolini. Man kann den Satz auch positiv wenden. Einfachheit macht das Leben sinnvoll, denn man braucht nicht so viele Dinge. Was man wirklich braucht, ist Raum für sich. Man kann seine Persönlichkeit auch anders ausdrücken als über Dinge. Zum Beispiel indem man die Umgebung, in der man sich aufhält, so gestaltet und entschlackt, dass sie einem gemäß wird. Man kann sich auch von außen nach innen finden. Ein selbstbestimmtes Leben kann sich darin ausdrücken, dass man sich in seinen vier Wänden von Gegenständen, Büchern, Musik angesprochen fühlt, die genauso einladend sind wie gute Freunde. So wird das Leben auch nach innen bejahenswert.
Deswegen können Menschen letztlich nur aus der Innenperspektive sagen: Meine Welt ist eine sinnvolle Welt. Ein sinnvolles Leben wäre demnach ein Leben, das mir gemäß ist, egal was andere darüber meinen und sagen. Es gibt ein paar typische Situationen, die davon zeugen. Jemand sagt: »Das mache ich gern«, »das ist mein ›Ding‹«, »das gibt mir viel«, oder »das hat sich für mich gelohnt«, oder im jugendlichen Jargon »das bringt es«. Gemeinsam ist diesen Äußerungen, dass es sich um Handlungen dreht, die für den Einzelnen als befriedigend, erfüllend oder lohnend empfunden werden. Warum? Weil sie um ihrer selbst willen geschehen. Es geht um eine schöne, bereichernde Erfahrung, die im Tun selbst liegt.
Ich treffe eine Frau, die lauter verschiedene Bilder mit Fischen diverser Couleur und in variierenden Anordnungen malt. Ich frage sie: »Warum machst du das?« Sie sagt: »Weil es mich zutiefst befriedigt, diese inneren Fischbilder nach außen zu bringen.« Sie will nichts bewirken, es gehtihr um den Vollzug, dass die inneren Eindrücke zu Ausdruck werden. Ähnliches ereignet sich in einer erfüllenden Begegnung, in einem ergreifenden Buch, oder wenn man plötzlich in eine Landschaft eingetaucht ist, sich selbst vergessen hat und völlig im Jetzt hingegeben und gleichzeitig ganz bei sich selbst war. Oft braucht es Mühen und Entbehrungen, um in solche Situationen zu geraten, denen wir Sinn zusprechen. Dabei denke ich an die vielen Menschen, die oft mühevolle künstlerische Wege gehen – Musiker, Maler, Schriftsteller –, die jahrelang an ihren Werken arbeiten, weil sie es so wollen und weil es ihnen gemäß ist, bis sie Antworten auf die Frage: »Wozu?« erhalten.
Sinnvoll ist demnach ein Leben, das immer wieder solche Situationen enthält, die um ihrer selbst willen gesucht und herbeigeführt werden. Die Bejahung: »Das gehört zu mir« oder »Das ist mir wichtig« ist die Voraussetzung, überhaupt Sinn zu erleben. Auffallend ist, wie viele Menschen immer häufiger Nein sagen. Je mehr man Nein sagt, desto mehr schrumpft man. Wer Nein zur Schönheit, zur Liebe, zur Großzügigkeit sagt, wird mit der Zeit immer weniger lebendig. Man hält den Neinsager vielleicht für einen kritischen Denker, einen Zweifler, aber irgendwann fehlt ihm all das, was das Leben so lebenswert macht: die Freude, das Teilen, der Gesang, der Tanz, die Feier. Es macht tiefen Sinn, positiv zu sein, Ja zu sagen, sich auf sein Herz
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