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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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der niederländischen Nationalsozialisten, in Uniform mit Fahnen und Trommeln und begleitet von WA -Männern mit Schlagstöcken vom Frederiksplein zum IJ sclubgelände hinter dem Rijksmuseum. Es war ein verbotener Marsch. Doch die Polizei schritt nicht ein, auch nicht, als WA -Männer auf Menschen am Straßenrand einschlugen, die laut ihren Abscheu äußerten.
    Als die Truppe gegen 17 Uhr zum Dam weitermarschiert, legen es die WA -Männer auf körperliche Attacken an, reißen Passanten die weißen Nelken von der Kleidung. Zwischen Rembrandtplein und Dam kommt es zu erbitterten Straßenkämpfen. Und das ist erst der Anfang. Abends gegen halb neun Uhr strömen Spaziergänger und Radfahrer mit Fahnen, Nelken und anderen Blumen zum Emmaplein südlich vom Vondelpark. Hier steht ein Denkmal von Königin Emma, Wilhelminas Mutter und Vorgängerin. Es dauert nicht lange, da tauchen die deutschen »Grünen« auf und treiben die Menschen mit Karabinern und Pistolen auseinander. In den Straßen rings um den Platz belästigen NSB -Sympathisanten Menschen mit Nelken am Revers und provozieren Handgemenge, während sich die Amsterdamer Polizisten zurückhalten. Auch in der Innenstadt gehen die Kämpfe weiter. Dort treiben deutsche Polizisten, die »Grünen«, mit Pistolen und Amsterdamer Polizisten mit dem Säbel die Menschen auseinander. Insgesamt zählt die Polizei dreißig schwere Kämpfe und über zwanzig Verwundete.
    Am Sonntag ist wieder Ruhe in der Stadt. Der »Nelkentag« bleibt ein einmaliger emotionaler Ausbruch, bei dem sich die Gefühle der Amsterdamer Luft machten. Einmal wollten sie es den verhassten NSB lern, diesen Landesverrätern, zeigen, die ungeschoren das Stadtbild prägten. Es war kein organisierter Widerstand, aber eine willkommene Gelegenheit, öffentlich zu machen, dass die Enttäuschung über die Flucht der Königin längst verraucht war und die Verbundenheit der Niederländer mit dem Haus Oranien unzerstörbar.
    Wütend ordnet Reichskommissar Seyß-Inquart an, dass in Zukunft alle Urteile in niederländischen Gerichten »im Namen des Rechts« verkündet werden und nicht mehr »im Namen der Königin«. Als im September neue Briefmarken in Serie gehen, fehlt das Porträt der Königin. Jedes Mitglied der königlichen Familie ist von nun an persona non grata. In Amsterdam ändern die Besatzer die Namen aller Straßen, Parks, Schulen und Krankenhäuser, die sich auf das Haus Oranien beziehen.
    Mehr und mehr deutsche Soldaten werden nach Amsterdam verlegt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Deutschland nach dem Sieg über Frankreich den Kampf gegen England vorbereitet, und die Niederlande sind aufgrund ihrer geografischen Position ein militärischer Brückenkopf. Die zwanzig Mitarbeiter im städtischen Einquartierungsamt beschaffen Wohnboote und Garagen, Lagerhäuser, Sportplätze und weitere Schulen. Ständig werden neue private Quartiere für die Besatzer gesucht, kein unüberwindbares Problem.
    Die Tagebücher der Amsterdamer sind voller Lob über ihre deutschen »Gäste«, Offiziere wie Mannschaften: »Nette Kerls – korrekt, diszipliniert, sauber – im Gegensatz zu den niederländischen Soldaten räumen sie auf, machen Reparaturen im Haus«. Als im Juli die Wehrmacht auf dem Dam einen kleinen überdachten Pavillon errichtet und eine deutsche Militärkapelle aufspielt, drängen sich die Amsterdamer und genießen die beschwingte Abwechslung.
    Doch es kommen auch erste Verordnungen und Verbote, die in den Alltag eingreifen. Am 1. Juli fordert der Besatzer von der niederländischen Luftschutzorganisation eine »Reinigung von nicht geeigneten Elementen«. Erst ein weiteres Schreiben sagt, wer gemeint ist – »Juden und deutschfeindliche Holländer«. Auch die Verordnung vom 29. Juli über die »Vermeidung von Tierquälerei beim Viehschlachten« verschleiert, wer gemeint ist: die orthodoxen Juden in Amsterdam, die sich strikt an das religiöse Gesetz halten und nur das Fleisch von geschächteten Tieren essen, die nicht maschinell getötet wurden. Mit dieser Verordnung wird das Schächten verboten.
    Die Verordnung des Reichskommissars vom 4. Juli »Zum Schutz der niederländischen Bevölkerung vor unwahren Nachrichten« betrifft alle. Sie verbietet ausländische Sender zu hören, die nicht vom Gebiet des Großdeutschen Reichs und der besetzten Länder ausgestrahlt werden. Wer es dennoch tut, muss mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und in schweren Fällen bis zehn Jahren rechnen. Außerdem werden Kundgebungen

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