Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)
aus Cafés, Restaurants und Hotels vertrieben. Überall hingen nun Schilder mit der Aufschrift »Juden unerwünscht«. Selbst das gute alte Luxushotel American am Leidseplein, das stolz war auf sein bürgerlich-liberales Publikum, hat am 2. Januar 1941 diskret neben dem Eingang ein Schild aufgestellt, das seinen vielen jüdischen Gästen den Zutritt verwehrte.
Man erzählte sich, dass der Direktor des Hotels zur Jahreswende seine ältesten und besten jüdischen Gäste persönlich per Taxi aufgesucht habe, um ihnen diese Entscheidung mit großem Bedauern mitzuteilen. Hätte er den Drohungen der Besatzer nicht nachgegeben, so seine Erklärung, wäre ein anderes Schild angebracht worden: »Für Wehrmacht verboten«. Mit der Folge, dass die Einquartierungen hunderter von Wehrmachtsoffizieren, die zudem viel Geld im Restaurant ausgaben, sofort weggefallen wären.
Den ganzen Januar 1941 lang wehrte sich das Parkhotel in der Stadthouderskade gegen WA -Leute und Gesandte von Böhmcker, die in der Lobby erschienen, um das Verbotsschild anzubringen. Der Hinweis, es gäbe keine Anweisung der Stadtverwaltung, lief ins Leere, da die zuständige Behörde auf den Hilferuf des Hotels nicht reagierte. Ab 28. Januar hieß es auch hier: »Juden unerwünscht«.
Am 4. Februar meldete Hans Böhmcker dem Reichskommissar triumphierend, dass in allen größeren Lokalitäten Amsterdams die »Juden-Schilder« angebracht seien. Der Versuch, dagegen Widerstand zu leisten, »ist gescheitert«. Nach seinen Informationen hätten die jüdischen Gäste rund dreißig Prozent des Umsatzes erbracht, doch dieser Verlust würde größtenteils durch den Besuch von Wehrmachtsangehörigen wettgemacht. Nur um den Rembrandtplein gebe es noch einige wenige Lokale, die sich weigerten, die Schilder anzubringen.
Am Rembrandtplein zeigte sich in diesen Februartagen aber auch, wie sich die antisemitische Stoßrichtung der Besatzer-Politik krakenhaft auf alle Lebensbereiche ausdehnte. Im Theater-Kino am Rembrandtplein startete der deutsche Hetzfilm »Jud Süß«. Die Zentrale Niederländische Kommission für Filmzensur, bisher gegenüber den Filmen der Besatzer durchaus willfährig, hatte es gewagt, sich der Aufführung von »Jud Süß« zu widersetzen. Der Film verstoße gegen die öffentliche Ordnung, da der »größte Teil des niederländischen Volkes« dessen antijüdische Tendenz »als verletzend« empfinden würde. Der Besatzer löste umgehend die gesamte Kommission auf und ernannte eine neue unter dem Vorsitz eines NSB -Mitglieds.
Dergleichen geschah hinter den Kulissen, und war typisch für die zunehmende Aufgabenteilung zwischen deutschen Besatzern und niederländischen Nazis. Die Schlägertrupps der niederländischen Nationalsozialisten, vor allem die WA , verstärkten mit dem neuen Jahr sichtbar den Terror gegen Juden in Amsterdams Straßen, um sie gesellschaftlich zu isolieren. Die deutschen Besatzer verfolgten parallel das gleiche Ziel durch Verordnungen und Verwaltungsmaßnahmen. Und sie waren erfindungsreich, wenn es galt, eine so wichtige Bevölkerungsgruppe wie die Arbeiter nicht zu verprellen oder die Radikalität ihrer antisemitischen Politik zu verschleiern.
Am 29. Januar waren rund zweitausend Arbeiter zum neunten Mal für einen Winterzuschlag und gegen die Kürzung der Arbeitslosenunterstützung durch Amsterdam gezogen. Zwei Tage später erklärten die Arbeitgeber, allen Forderungen nachzukommen. Die Besatzer hatten hinter den Kulissen nachgeholfen, unzufriedene Arbeiter passten nicht in ihr Konzept.
Ebenso wichtig war es, das nichtjüdische Amsterdamer Publikum, das seine abendlichen Revuen und die Musik der Jazzorchester liebte, bei Laune zu halten. So kam es, dass bei den Auftritten von The Ramblers, die in den dreißiger Jahren den Swing populär gemacht und erstklassigen Jazz in internationaler Besetzung gespielt hatten, auch 1941 jüdische Musiker zur Band gehörten. In den Pausen kamen Wehrmachts-Offiziere, die im Publikum saßen, zu den Musikern und sagten: »Mensch, ein fabelhaftes Orchester, Sie müssen nach Deutschland kommen.« Der jüdische Hotjazz-Geiger Jaap Cune leitete ein eigenes Orchester, mit dem er zum Jahresanfang im Etablissement Caliente an der Lijnbaansgracht auftrat. Der deutsch-jüdische Emigrant Willy Rosen spielte mit seiner »gemischten« Revuetruppe »Die Prominenten« weiterhin erfolgreich vor »gemischtem« Publikum, darunter auch deutsche Soldaten. Als am 8. Februar im Beatrix-Theater in der Plantage
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