Leben mit Hochsensibilitaet
31-jähriger Erwachsener, spürt er immer noch viel körperliches Unwohlsein. Wenn er zum Beispiel einen Nachbarn trifft, fühlt er eine innere Anspannung. Oder wenn er im Supermarkt ist, merkt er, wie alles, was auf ihn zukommt, ihn ängstlich und nervös stimmt. Reize von außen oder von innen können bewirken, dass seine Stimmung jäh umschlägt. Dadurch gerät Ramon oft in Perioden von Angst und Kummer. In den dunklen Wintermonaten ist seine Angst so groß, dass er nicht mehr im Stande ist, zur Arbeit zu gehen. Er bleibt zu Hause in einem Zustand unaussprechlicher Schwere. Körperlich, emotionell und geistig gerät er wieder und wieder an den Rand der Erschöpfung. Das beginnt stets damit, dass er merkt, wie seine Hände und Füße kalt werden. Dann fühlt er, dass er sich von seiner Umgebung abschließt. Seine Kehle schnürt sich zu, und es gelingt ihm nicht mehr, sich normal mit anderen zu verständigen. Schließlich bleibt er zu Hause und schließt sich buchstäblich ab.
Eine der ersten Fragen, die man zu Emotionen stellen kann, ist: Haben sie einen bestimmten Nutzen? Was sagt eine Emotion über mich aus? Unter all der Angst, die Ramon überwältigt, sitzt eigentlich ein kleiner Junge, der das Gefühl hat, nicht da sein zu dürfen, nicht akzeptiert zu werden wie er ist, sagte mir Ramon. Unter der Angst liegt eine Anhäufung negativer Erfahrungen, die der hochsensible Ramon während seines Lebens gesammelt hat und die seinenWeg blockieren. Wenn Ramon in einem Schwall von Eindrücken und Reizen in eine Krise gerät, ist Weinen der einzige Ausweg. Hinter der Angst ist dann nur noch Seelenschmerz.
Emotionen sind Signale des Körpers. Nichts weiter als das. Sie lehren dich etwas. Reichen dir sozusagen eine Hand, um dir zu sagen: Dies hier gefällt mir gut und das dort nicht. Emotionen, die nicht beachtet werden, verwahrlosen. Emotionen, die über längere Zeit verwahrlost sind, setzen sich hartnäckig fest und rufen: Beachte mich. Wenn du starke Emotionen fühlst, berührt das häufig einen Schmerz aus der Vergangenheit. Durch das Akzeptieren der Emotion, so wie sie sich dir momentan ankündigt, nimmst du ihr einen großen Teil ihrer Ladung. Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Emotionen können dich, wenn sie heftig werden, unkontrollierbar ergreifen. Häufig spielt Angst dabei eine große Rolle. Die Angst verkrampft dich und du wirst von der Emotion überwältigt.
Dass du als hochsensibler Mensch das Leben intensiv erfährst, ist eine Gegebenheit der Hochsensibilität. Doch dass du ständig durch Stimmungen wie Ängste und Wutausbrüche überwältigt wirst, ist nicht nötig. Mehr noch, es hat überhaupt keinen Sinn. Du bist
mehr
als deine Stimmungen. Deine Stimmungen sind deine Signale.
Wer intensiv durch seine Emotionen gelebt wird, ist nicht im Gleichgewicht. Dieser Mensch sollte zuerst zu seiner Basis zurückfinden. Und diese Basis findet er in den Signalen seines Körpers und in guter Erdung.
Als Hochsensibler muss man nicht ständig von Stimmungen – wie Ängsten und Wutausbrüchen – überwältigt werden. Wenn das der Fall ist, bist du, einfach gesagt, nicht ausreichend im Gleichgewicht. Du solltest dann mit den Übungen am Ende des Kapitels beginnen. Wenn du ernsthaft unter stark wechselnden Emotionen, Depressionen oder Angstneurosen leidest, rate ich dir, Hilfe zu suchen.
Bei heftigen Emotionen ist es auf jeden Fall wichtig, extreme Gefühlsausbrüche zu vermeiden. Sonst besteht die Gefahr, dass du lediglich noch mehr Probleme mit deiner Umgebung bekommst.Warte besser, bis die Heftigkeit der Emotion abnimmt, bevor du beginnst zu agieren und zu reagieren. Du brauchst bei starken Emotionen nicht gleich aktiv zu werden. Lass den Sturm sich von selbst legen. Beruhige dich, indem du dich gelassen beobachtest. Versuche dich, so gut es geht, zu entspannen – akzeptiere, dass das Gefühl so ist, wie es ist, ohne etwas Besonderes damit zu verbinden oder gleich etwas zu unternehmen. Auf diese Art gelang es Ramon, zunehmend bessere Einsicht in seine Emotionen und den Umgang damit zu erlangen. Das ging nicht von einem auf den anderen Tag. Es war ein Prozess von Jahren. Beim letzten Mal, dass er eine Panikattacke hatte, berichtet er, blieb er einfach bewusst bei seinem Gefühl. Statt davor wegzulaufen, betrachtete er die Angst. Er konzentrierte seine Aufmerksamkeit darauf, und merkte, dass sie nach fünf Minuten wegebbte. „Es war, als würde ich mit einer Lampe in die Dunkelheit leuchten, indem ich
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