Leben mit Hochsensibilitaet
Regel ein Surfen auf Wellen von Assoziationen. Assoziationen können unser Denken ständig beschäftigen. Für Meditierende kann es ziemlich desillusionierend sein, zu entdecken, dass 90 Prozent des Denkens auf freien Assoziationen und unkontrollierbaren Gedanken fußen. Gedanken haben bisweilen eine beängstigende Intensität; gleichzeitig scheinen sie völlig ziellos zu sein. Das ist zwar nicht immer so, und nicht jeder bleibt im gleichen Maß im eigenen Gedankenstrom gefangen – doch prinzipiell läuft viel vom menschlichen Denken außerhalb des bewussten Willens ab. Teils ist das gut, weil wir so unbewusst Dinge verarbeiten. Aber es kann auch zu viel und störend werden. Dann ist es unsere Aufgabe, das eigeneDenken wie ein Pferd zu zügeln – zu lernen, mehr Kontrolle zu erhalten.
Liegst du zuweilen nachts wach, während dein Geist aktiv ist? Erwischst du dich tagsüber beim Grübeln? Du machst dir Sorgen über scheinbar wichtige Entscheidungen? Oder über Lappalien? Der menschliche Geist hat die natürliche Neigung, aktiv zu sein. Und ein hochsensibler Mensch ist im Allgemeinen überdurchschnittlich anfällig für Gedankenassoziationen. Diese – man kann sie „innere Reize“ nennen – sind wie Nahrung fürs Gehirn; bei unruhigen hochsensiblen Menschen stopft das Hirn nur zu gerne Unmengen an Reizen und Impulsen in sich hinein. Da liegen Spannung und Stress dann auf der Lauer. Was schon einen weniger sensiblen Menschen einige Energie zur Verarbeitung kostet, verausgabt einen Hochsensiblen völlig. Deshalb sind Hochsensible sehr viel stressempfindlicher und kämpfen – als Folge unmäßiger geistiger Aktivität – eher mit Spannungsbeschwerden.
Man darf jedoch nicht vergessen: Diese geistige Aktivität bringt auch viel ein, beispielsweise Kreativität und Unternehmungslust. Plötzlich ist man von etwas Neuem inspiriert, einer Idee oder einem Plan. Man will unmittelbar damit beginnen, ist ganz und gar enthusiastisch. Nichts scheint wichtiger zu sein als dieses großartige Vorhaben. Hochsensible Menschen kennen solche absoluten Höhenflüge, in die ihr Geist gerät. Ein Wirbelsturm, der sie in große Höhen führt. Plötzlich schaffen sie sehr viel gleichzeitig. Manchmal geraten sie in eine Art manischen Siegesrausch.
Auch wenn man diese Impulse positiv bewertet und sie zum Beispiel bei seiner Arbeit einsetzt – man denke etwa an die Arbeit eines Forschers oder Wissenschaftlers –, ist es doch wichtig, darüber ausreichend Kontrolle zu haben. Das bedeutet nicht, die Höhe- oder Tiefpunkte zu verlieren; man kann diese weiter mit Genuss nutzen. Nur sollte man das Ziel haben, sie zu beherrschen, wie ein Zen-Meister gelernt hat, seinen Geist zu beherrschen. Paradoxerweise findet man die Kontrolle nicht durch den Einsatz von Willenskraft. Gerade indem man das krampfhafte Wollen loslässt und nichts will, schafftman Stabilität. Sich leeren und loslassen – das sind die Zauberworte, die Ruhe und Gleichmut bewirken.
Während Gedanke auf Gedanke folgt, sollte deine einzige
Sorge sein, dich nicht daran festzuhalten
.
HUANG PO
Meditation ist eine gute Methode, bewusst loszulassen und dadurch Gleichmut zu schaffen. Ein disziplinierter Geist ist der Weg zum Nirvana, heißt es im
Dhammapada
, einer buddhistischen Verssammlung. Durch Änderung des Denkens kann man sich selbst ändern. Wir wissen das zwar, doch machen davon selten Gebrauch. Für hochsensible Menschen ist Meditation eine äußerst sinnvolle Technik, um sich besser in sich selbst zu verankern, besser im Gleichgewicht zu sein, und so ein größeres allgemeines Wohlbefinden zu erreichen. Meditation ist sehr geeignet, um Unruhe aufgrund überschüssiger Empfindungen, Emotionen, Gedanken und Pläne zu kanalisieren. Indem man lernt, den Geist zu kontrollieren, beginnt man, wirklich frei zu werden. Wie der Schütze seinen Pfeil ausrichtet, ruhig und zielgerichtet, so macht der Weise seinen Geist zielgerichtet. Je mehr man hin und her schwankt wie ein unkontrolliertes Pendel, desto mehr unterliegt man dem Einfluss anderer. Und darum geht es Hochsensiblen wohl eher nicht.
Ich möchte hier anmerken: Meditation wird in vielen Formen praktiziert, und leider nicht immer auf die richtige Art, mit dem Resultat, dass sie dann mit Anspannung und intensivem Wollen zu tun hat. Dazu ein erklärendes Beispiel: Neulich wurde ich spontan eingeladen, einer kurzen Meditation zum Weltfrieden beizuwohnen. Ich hatte gerade noch eine Viertelstunde Zeit, war neugierig auf die
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