Leben mit Hochsensibilitaet

nichts hastig abarbeiten muss, dann bin ich glücklich“, sagt sie.
    Es ist nicht einfach, in dieser Welt etwas sorgfältig und mit voller Aufmerksamkeit zu tun. Unsere Umwelt ist geprägt von Hetze und Konsumorientierung. Wir alle gemeinsam haben unzählige Pseudo-Bedürfnisse und -Wünsche geschaffen, denen wir nachjagen. Es ist schwierig geworden, natürliche von künstlich geschaffenen Bedürfnissen zu unterscheiden. Wir vergessen schnell, dass die meisten Produkte, die uns in Reklamebotschaften angepriesen werden, eigentlich überflüssig sind. Wir verschwenden viel Zeit, um alles Mögliche anzusammeln und zu konsumieren. Wir spüren, dass das Leben schneller und schneller läuft – und das treibt uns alle nur noch stärker an.
    Die meisten Hochsensiblen haben glücklicherweise ein gesundes Verständnis dafür, dass es wichtigere Dinge gibt als ein Leben in materiellem Reichtum. Hochsensible sind darin wirklich anders als Normalsensible.
    „Die ewige Weisheit ist die ewige Stille“, sagt Musset. Hochsensible wissen das. Sie nutzen die stillen Momente, um zu sich zu kommen. Sie wissen, dass es letztlich nicht um das Ziel geht, sondern um den Weg, der dahin führt. Diesen Weg achtsam und gewissenhaft zu gehen, ist das Talent der Hochsensiblen. In stillem Wasser setzt sich die Essenz. Aufgewühltes Wasser, das zur Ruhe kommt,wird wieder klar. Marian van den Beuken (55) schreibt: „Eigentlich möchte ich im Innern jedes Moments wohnen. Von jedem Moment die Tiefe und das Mysterium erfahren. Ich liebte es immer, langsam zu leben. Deshalb fühlte ich mich schon als Kind zwischen auf Schnelligkeit dringenden Menschen unwohl. Da ich nun etwas älter bin, fühle ich mich in meinem Leben mehr zu Hause. Älter zu sein, passt einfach besser zu mir. Ich kann es mir jetzt erlauben, den Lebensstil zu wählen, der zu mir passt.“ 27
    Die Neigung, auf Qualität statt auf Quantität zu achten, bewirkt, dass Hochsensible über viele Dinge intensiv und gründlich nachdenken. Ihre Eigenschaft, unzählige Dinge zu bemerken, führt dazu, dass sie sich selbst viele Fragen stellen. Sie haben eine philosophische Natur. Sie möchten die Dinge des Lebens ergründen – und sie finden oft Antworten, die nicht auf der Hand liegen. Die meisten Hochsensiblen haben auf diese Art eine erstaunliche Selbstkenntnis erworben in Bezug auf geistiges, körperliches, spirituelles und emotionales Wohlbefinden. Sie sind nicht nur Heiler und Künstler, sondern auch Wissenschaftler und Priester.
    Andererseits sind Hochsensible auch gut geeignet für dienende Führungspositionen. Diese Bezeichnung kam in den 1980er Jahren in Amerika auf – für eine Führungsperson, die sich von ethischen Werten leiten lässt und in ihrer Führungsverantwortlichkeit bewusst diesen Werten dient. 28 Nach asiatischer Auffassung ist ein dienender Führer jemand, der die Quelle von Sinngebung und Werten kennt. Weil er mit den grundlegenden Lebenskräften des Universums im Einklang ist, wird er ganz selbstverständlich seine Kollegen, seinen Betrieb, seine Familie oder welche Gemeinschaft auch immer dienend leiten, das heißt, im tiefen Bewusstsein von Geben und Nehmen.
    Gleichgültig, ob du eine Führungsposition inne hast oder am Rande der Gesellschaft stehst – wer sorgfältig ist, möchte für etwas sorgen. Hochsensible sind häufig für die Nöte anderer empfänglich und können deren Leid nicht ertragen. Sie achten auf die Bedürfnisse anderer. Sie können oft nicht anders: sie bemerken das Unwohlsein anderer einfach rasch. Sie sind, sofern mit sich selbst imGleichgewicht, aufmerksam. Bei der Mehrheit der Hochsensiblen sitzt das Herz am rechten Fleck. Ein Hochsensibler kann deshalb zu einer echten Mutter Theresa werden. Es gibt so viel Leid in der Welt und um so viel Fürsorge wird gebeten. Wenn ein Hochsensibler einmal eine derartige Aufgabe auf sich nimmt, macht er sich selbst unentbehrlich. Fürsorge hat zutiefst mit Menschlichkeit zu tun. Hochsensible geraten häufig in Pflegeberufe. Wenn es dir so geht, wenn du mit Herz und Seele für diejenigen, die weniger haben in unserer Gesellschaft, sorgen willst und kannst, ist das eine herrliche Sache. Von deiner Art Menschen wird es immer zu wenig geben.
    Es gibt jedoch einige Fallstricke, vor denen du dich in Acht nehmen solltest. Erstens bist du häufig perfektionistisch und willst alles zu gut tun. Doch Fehler zu machen, ist menschlich. Du leistest wahrscheinlich schon Überdurchschnittliches. Fordere also nicht noch