Leben nach dem Tod - warum es nicht irrational, sondern logisch ist, an das Jenseits zu glauben
besser könnte. Um einen Ball zu bewegen, braucht man die Einwirkung oder Kraft eines anderen materiellen Objekts, beispielsweise eines zweiten Billardballs.
Descartes hat erkannt, dass das »Billardkugelproblem« eine gewaltige Herausforderung für den Dualismus darstellt. Er verstand die Überzeugungskraft des wissenschaftlichen Weltbildes, nach dem alles im Einklang mit festen Gesetzen funktioniert. Wenn der menschliche Geist regelmäßig in dieser Weise auf materielle Körper einwirkt, dann, so räumte Descartes ein, dann muss es eine materielle Verbindung zwischen beiden geben, die diese Interaktion vermittelt. Descartes spekulierte, die Epiphyse könnte der Ort im Gehirn sein, wo sich das geheime Rendezvous zwischen immateriellem Geist und materiellem Körper abspielt. Heute wissen wir, dass sich Descartes im Hinblick auf die Funktion der Zirbeldrüse geirrt hat. Aber das eigentliche Problem für die Philosophen ist nicht die Frage,
wo die Interaktion zwischen Körper und Geist stattfindet, sondern wie sie überhaupt stattfinden kann. Unser Geist ist wie ein Gespenst und unser Körper wie eine Mauer; wie also kann ein Gespenst eine Mauer bewegen, wenn es eigentlich seiner Natur entspricht, durch Mauern hindurchzugehen?
Dieses ofensichtlich unlösbare Problem hat die meisten zeitgenössischen Philosophen und Wissenschaftler dazu gebracht, den Materialismus zu übernehmen, der die Hauptalternative zum Dualismus ist. Der Neurowissenschaftler Vilayanur S. Ramachandran formuliert seine materialistische Weltsicht sehr direkt: »Der gesamte Reichtum unseres mentalen Lebens – all unsere Gefühle, Emotionen, Gedanken, unser Streben, unser Liebesleben, unsere religiösen Ansichten und sogar das, was jeder von uns als eigenes, intimes, privates Selbst betrachtet – ist schlicht die Aktivität dieser kleinen Geleefleckchen in unserem Kopf, in unserem Gehirn. Darüber hinaus gibt es nichts.« 2 Aus dieser Beschreibung sollte deutlich werden, dass der Materialismus ein ernstes Hindernis für die Möglichkeit eines Lebens nach dem Tod darstellt. Niemand bestreitet, dass der materielle Körper nach unserem Tod zerfällt. Wenn der Tod des Körpers also der Tod des ganzen Menschen ist, dann gibt es keine Möglichkeit, wie ein Teil von uns unseren Körper überleben könnte. Vom materialistischen Standpunkt aus bleibt nichts für ein Weiterleben übrig.
Wie wir gesehen haben, halten Atheisten den Materialismus für eine passende Philosophie, und viele Hirnforscher sehen das ähnlich. Atheisten gefällt sie aus folgendem Grund: Wenn Menschen durch und durch materielle Wesen sind, dann, so hat es der Philosoph Owen Flanagan formuliert,
»gibt es keinen Platz mehr, an dem sich die Seele verstecken könnte«, und wir haben »keine Aussicht auf ein Leben nach dem Tod«. Der Philosoph Paul Churchland hat erklärt, wir seien nicht mehr als »angemessen organisierte Materie« oder, wie Carl Sagan es ausgedrückt hat, »ein besonders komplexes Arrangement von Atomen, und nicht ein Hauch von Göttlichkeit«. 3 Aber auch Neurowissenschaftler tendieren zum Materialismus, denn das ist zum Teil in ihrer Aufgabe so angelegt. Sie untersuchen das materielle Gehirn, und doch wollen sie auch den immateriellen Geist verstehen. Wenn sich der Geist auf die Funktionen des Gehirns reduzieren lässt, dann hat die Neurowissenschaft die Chance, beide Ziele zu erreichen. Deshalb versuchen Neurowissenschaftler routinemäßig, mentale Transaktionen auf materielle zu reduzieren, und das ist natürlich die Essenz des reduktionistischen Materialismus. Die vorherrschende Einstellung in diesem Forschungszweig hat der deutsch-schweizerische Physiologe Karl Vogt im 19. Jahrhundert mit seiner Erklärung ausgedrückt, der Gedanke verhalte sich zum Gehirn wie die Galle zur Leber, die Seele zum Gehirn wie der Urin zur Niere.
Gedanken können jedoch nicht wie Urin oder ein Sekret in einem Gefäß gesammelt werden, und man kann sie auch nicht wiegen, messen oder riechen. Wissenschaftlern ist das klar, aber sie versuchen, eine direkte Kausalbeziehung zwischen Gehirn und Geist aufzuspüren, und das schon seit mehr als einem Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert wurden Sprachzentren identifiziert, die wir heute »Broca-« und »Wernicke-Areal« nennen. Ungefähr um dieselbe Zeit haben die Wissenschaftler auch entdeckt, dass die Schädigung einer Seite des visuellen Kortex Blindheit
auf der gegenüberliegenden Seite hervorruft. Unterstützt durch bildgebende Verfahren wie
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