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Leben um zu lieben (Junge Liebe) (German Edition)

Leben um zu lieben (Junge Liebe) (German Edition)

Titel: Leben um zu lieben (Junge Liebe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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sie.
    Niemand anderes als meine Nachbarin, Hildegard Riedel, stand vor der Tür und grinste mir breit entgegen.
    Verwundert kratzte ich mich an meinen Schläfen und blickte sie fraglich an.
    „Na, mein Junge, wie war’s denn gestern? Ich will nicht stören, aber wie war’s denn gestern?“, sie wiederholte sich häufig, ohne es zu bemerken. Der Lavendelgeruch begann sich in die Luft zu hängen.
    Ich zuckte mit den Schultern und wurde prompt zur Seite geschoben, während die alte Riedel sich in meine Wohnung schob und wie selbstverständlich auf der Couch niederließ. Sie hielt ihre kleine Handtasche auf ihrem Schoß und betrachtete mich durch ihre dicken Brillengläser.
    Ich schloss erst einmal die Haustür, folgte ihr und lehnte mich gegen die kalte Wand.
    „Setzten Sie sich doch, setzten Sie sich!“, forderte sie mich auf, als befänden wir uns in ihrer und nicht meiner Wohnung.
    Trotz allem gehorchte ich und ließ mich neben ihr auf der breiten Couch nieder. Ich griff unter die Tischplatte, wo sich eine zweite Ablage befand, und kramte einen alten Collegeblock und einen Kugelschreiber hervor.
    „Erzählen Sie, mein Lieber! Ist sie hübsch? Sagen Sie ruhig! Ist Sie hübsch?“, fragte sie in ihrer rauen Stimme.
    Erneut zuckte ich mit den Schultern, schlug den Collegeblock auf, knipste auf den Kugelschreiber und schrieb: ‚Sie ist ein Mann.’
    Die Augen meiner Nachbarin schienen noch größer zu werden. Sie schob ihre Brille mit dem Zeigefinger wieder höher auf die Nase und schien nicht die passenden Worte zu finden.
    ‚Ich habe das auch erst heute erfahren. Er heißt Kevin und ist wirklich nett’, schrieb ich in schnellen Buchstaben.
    „Oh, mein Lieber, das ist doch wunderbar!“ Hildegard Riedel strahlte, während ich nichts mit ihrer Reaktion anzufangen wusste.
    „Wissen Sie, mein Guter, mein bester Freund damals …ja, das ist lange her, der war auch homosexuell.“
    Das letzte Wort jagte mir einen unangenehmen Schauer über den Rücken. Schnell griff ich zum Stift: ‚Kevin ist das vielleicht. Ich bin es nicht.’
    „Mein bester Freund damals, der Rüdiger, der hat die Männer angezogen. So manch einem hat Rüdiger den Kopf verdreht. Wissen Sie, das war ein wahrer Freund. Dem Rüdiger, dem konnte man alles erzählen. Der war für einen da“, erzählte sie und versank dabei förmlich in Erinnerungen, was mich wiederum leicht schmunzeln ließ.
    ‚Schön und gut, trotzdem sind Männer nicht das, worauf ich stehe’, schrieb ich und unterstrich das ‚nicht’ zweimal.
    „Na, mein Junge, Sie klingen so abwertend. Dieser Kevin kann doch auch ein guter Freund werden. Hauptsache, Sie kommen mal hier raus!“, sie deutete mit Gestiken auf meine Wohnung.
    ‚Er kam gestern nicht zum Treffen.’
    „Aber er hat Sie, als Sie noch nicht wussten, wer er war, vermutlich so fasziniert, dass Sie das Haus verlassen haben. Ja, junger Mann, Sie hatten sich richtig schick gemacht“, beim Grinsen blitzen mir ihre künstlichen Zähne entgegen.
    ‚Ein guter Freund wäre wirklich nicht schlecht …’, ich seufzte, bevor ich den Kugelschreiber erneut ansetzte. ‚Er wollte heute Abend mit mir ins Kino. Ich bin noch nicht bereit dafür.’
    Ich wusste nicht, warum ich meiner Nachbarin so viel erzählte und ihr vertraute. Vielleicht nur deswegen, weil sie in den letzten Monaten mein einzig menschlicher Kontakt gewesen ist. Vielleicht aber auch, weil ich mich nach Gesprächen sehnte und mich seit dem Schritt, den ich gestern gegangen war, noch einsamer als zuvor fühlte, sobald ich meinen Laptop schloss und nachdenklich auf der Couch endete.
    „Ach, papperlapapp …“, sie machte eine abtuende Geste. „Der wird Sie schon nicht verspeisen, der Gute. Ein guter Freund wäre gut, sagten Sie. Ja, das sagten Sie.“
    Sie spähte auf den Notizzettel, der auf der Oberseite meines Laptops klebte.
    „Bringen Sie mir bitte etwas Wasser, bitte!“, stöhnte sie und hustete leicht.
    Ich nickte, richtete mich auf und verschwand in der Küche.
    Bislang hatte ich mich nie mit meiner Nachbarin unterhalten. Ich hatte ihr stets meinen Einkaufszettel und das dazu gehörige Geld gegeben. Ich holte ein Glas aus dem Schrank und befüllte es bis kurz unter den Rand mit frischem Sprudelwasser.
    Als ich zurück in das Wohn- und Schlafzimmer trat, stand Hildegard Riedel bereits in der Tür und machte erneut eine abtuende Geste: „Das geht schon, mein Junge, das geht schon. Ich wohn ja nicht weit, wie Sie wissen“, lachte sie. „Falls Sie

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