Leben um zu lieben (Junge Liebe) (German Edition)
losfuhr.
Der Rest der Fahrt verlief wortlos. Wir kamen erst spät nachts in der Innenstadt an. Kevin hielt am Straßenrand in der Nähe meiner Wohnung und stellte den Wagen ab.
„Soll ich dich noch hochbringen?“, fragte er unsicher.
Ein mulmiges Gefühl breitete sich in mir aus, begleitet von merkwürdiger Nervosität. Mein Verstand schien nicht mehr mit meinen Gefühlen zusammenzuarbeiten, was der Grund dafür war, dass ich benommen nickte.
Ich griff nach meiner Jacke und stieg aus. Kevin schloss den Wagen ab, während ich die Haustür öffnete. Ich war mir nicht sicher, was Kevin vorhatte oder ob er sich bloß um mich sorgte. Er folgte mir die Treppen hinauf in meine Wohnung. Seine Anwesenheit sorgte dafür, dass ich mich schwächer als sonst fühlte. Tief in Gedanken versunken schloss ich die Wohnungstür auf und gewährte uns damit Eintritt. Ich drückte die Tür hinter Kevin zurück ins Schloss und wartete darauf, dass Kevin etwas sagte. Schweigend standen wir uns nun gegenüber. Es fühlte sich an, als ob die Zeit stehen geblieben wäre.
„Ich muss mit dir reden“, sagte Kevin dann und schritt auf die Couch zu, um sich dort niederzulassen.
X
Erste Erkenntnisse
„Willst du dich nicht dazu setzen?“, die Frage war mehr als Aufforderung gemeint.
Verwundert nickte ich und ließ mich gespannt neben Kevin auf der Schlafcouch nieder. Ich hatte wirklich keine Ahnung, was Kevin mir erzählen, mich fragen, oder mir beichten wollte.
„Ich hab dir doch erzählt, dass ich Medizin studiere, richtig?“
Ich nickte und blickte Kevin von der Seite an. Er mied allerdings jeglichen Augenkontakt.
„Ich bin zwar noch nicht weit, aber mein Vater ist Arzt. Jedenfalls habe ich dadurch die Möglichkeit, in den Semesterferien als Praktikant mit anzupacken. In den letzten Ferien im Februar hab ich diese Möglichkeit mal wahrgenommen“, er stockte.
Ich wusste nicht, worauf er hinaus wollte und wartete gespannt auf weitere Worte.
„Mein Vater arbeitet in einem Krankenhaus, weißt du? Jedenfalls …“, erneut hielt er inne und schluckte stark. Sein Blick senkte sich. Die Hände hielt er fest ineinander verschlossen. „Jedenfalls war es das Krankenhaus, in dem du warst“, er richtete sich abrupt auf, stellte sich vor das Fenster und blickte nach draußen.
Ich brauchte eine Weile, um die Information zu verarbeiten. Hunderte von Bildern rasten durch meinen Kopf begleitet von unzähligen Fragen.
„Ich war mir die ganze Zeit über nicht sicher gewesen. Du hattest zwar Ähnlichkeiten mit dem Patienten gehabt, doch hätte all das auch Zufall sein können. Als ich den Karton dann letztens gefunden hab, da wusste ich sofort Bescheid. Deshalb wollte ich keinen Kontakt mehr. Ich hab dich im Krankenhaus gesehen und mein Vater hatte mir anvertraut, was passiert war. Immer wieder hat man versucht, dich zum Sprechen zu bewegen, aber du hast immer nur dagelegen und an die Zimmerdecke gestarrt.“ Er schluckte. „Ich kann mir nur zu gut vorstellen, was du durchgemacht haben musst. Deine Geschichte hatte mich das erste Mal daran zweifeln lassen, Arzt zu werden. Ich kannte dich überhaupt nicht, aber was dir passiert war, hatte mir so unglaublich leid getan.“
Immer wieder musste ich schlucken, um die sich anbahnenden Tränen zurückhalten zu können. Es tat weh, jemanden von dem Unfall reden zu hören. Es verwirrte mich, dass Kevin mich zum Zeitpunkt meiner schlimmsten Verfassung gekannt hatte. Mit zittrigen Händen griff ich zum Schreibblock und schrieb: ‚Wenn das alles wahr ist … warum wolltest du den Kontakt zu mir abbrechen? Wieso verhältst du dich immer so zwiespältig mir gegenüber?’ Ich riss den Papierfetzen heraus, stand auf und klatschte ihn vor Kevins Augen gegen den Spiegel. Dieser las die Worte und nahm mir den Zettel nachdenklich ab.
„Ich hatte Angst“, war seine kurze Antwort. „Ich hatte Angst davor, dass ich an dir kaputtgehen würde. Eigentlich hab ich noch immer Angst, dass ich dir nicht helfen kann.“
Es war das erste Mal seit Beginn des Gespräches, dass er mir in die Augen sah. Er wirkte so, als ob ihn noch mehr belasten würde. Seine trüben Augen ließen keinen tieferen Blick zu. Ich nahm ihm den Zettel wieder aus der Hand und schrieb hinzu: ‚Ich hatte nichts mit diesem Stefan. Der hat mich total bedrängt.’
Ich hielt Kevin die Zeilen hin und wartete auf eine Reaktion.
„Warum erzählst du mir das? Das spielt doch überhaupt keine Rolle“, erwiderte er und legte seine Stirn in
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