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Leben um zu lieben (Junge Liebe) (German Edition)

Leben um zu lieben (Junge Liebe) (German Edition)

Titel: Leben um zu lieben (Junge Liebe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. Hart
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herunter und spülte mit dem Orangensaft nach. Ich wollte wieder unter Menschen kommen und hatte am gestrigen Abend gemerkt, dass der erste Anlauf schwierig sein konnte. Dennoch war alles einfacher gewesen, als ich es je für möglich gehalten hatte. Ich nahm mir für den gerade erst begonnenen Tag vor, selbst einkaufen zu gehen und mich noch davor zum Friedhof zu wagen, um das Grab meiner Eltern und meiner Schwester zu besuchen. Der Gedanke daran fiel mir schwer und ließ mich einen Moment lang an meinem Vorhaben zweifeln. Mir war in letzter Zeit jedoch bewusst geworden, dass ich meine Familie vergessen hatte und in ein nicht endendes Loch aus Selbstmitleid geflüchtet war.
    Meine Familie hätte mit Sicherheit etwas anderes von mir erwartet. Auch das Sprechen musste ich wieder lernen. Es war nicht so, dass ich es nicht wollte, doch bei jedem Versuch schnürte sich meine Kehle zusammen und weigerte sich auch nur einen Laut hervorzubringen.
    Ich stellte mein Geschirr in die Spüle, griff nach Portemonnaie und Schlüssel und stürmte aus der Wohnung, als ob mir für mein Vorhaben eine Zeituhr gestellt worden wäre.

XI

Lebenslust

    Im Flur begegnete ich meiner Nachbarin, die mich verwirrt anblickte und zu einer Frage ansetzen wollte. Ich winkte jedoch ab und huschte an ihr vorbei, um das Haus endlich verlassen zu können.
    Kaum hatte ich die Eingangstür hinter mir zugezogen, blieb ich stehen und atmete die frische Sommerluft ein. Ich genoss die warmen Sonnenstrahlen auf meiner Haut und machte mich auf den Weg zum Friedhof, der nicht weit von mir entfernt lag. Ich wusste auch, wo sich ein gutes Blumengeschäft befand, bei dem ich frische Blumen für meine Familie kaufen wollte. Noch vor etwa eineinhalb Wochen hätte solch ein Vorhaben Depressionen in mir hervorgerufen. An diesem Montagmorgen allerdings fühlte ich mich erholt. Der frische Sauerstoff tat mir gut und meine Familie hätte ich schon längst einmal besuchen sollen. Niemand auf der Straße starrte mich an oder blickte mir merkwürdig hinterher. Ich vermutete, dass ich mir diese Tatsachen stets eingebildet hatte.
    Nach einem Fußmarsch von zehn Minuten kam ich beim Blumengeschäft an und nahm sofort den vermischten Duft der verschiedenen Blumen wahr. Ich begutachtete ein paar Sträuße, wendete sie und hielt die Blüten unter meine Nase.
    „Kann ich Ihnen behilflich sein?“ Eine junge Verkäuferin, die gerade damit beschäftigt war, einen Strauß zu binden, lächelte mich von der Kasse her an.
    Ich schüttelte mit dem Kopf, griff nach drei schönen Sträußen und legte sie vor der Verkäuferin auf den Tresen.
    „Moment …“, murmelte sie, legte ihren Strauß beiseite, warf einen Blick auf meine Wahl und tippte einiges in ihre kleine Kasse ein. „Das sind dann fünfundzwanzig Euro achtzig“, erklärte sie.
    Ich nickte und kramte mein Portemonnaie aus der Hosentasche, um den gewünschten Betrag hervorzuholen.
    „Soll ich’s einpacken?“, fragte sie freundlich.
    Ich verneinte mit einer Geste und nahm die bunten Sträuße entgegen.
    „Dann wünsch ich noch einen angenehmen Tag!“, verabschiedete sie sich und begann sich wieder mit ihrer Arbeit zu beschäftigen.
    Es war das erste Mal seit langem, dass ich mir dämlich dabei vorkam, nicht zu sprechen. Ich fühlte mich dabei unhöflich und mies gegenüber denjenigen, die aus fehlender Fähigkeit keine Laute hervorbrachten. Im selben Moment wusste ich jedoch, dass ich mich in letzter Zeit häufig bemüht und es immer wieder versucht hatte.
    Mit den Blumensträußen in den Händen kam ich nach weiteren fünf Minuten Fußweg am Friedhof an. Erst in jenem Moment überkam mich ein unwohliges Gefühl, wenn ich daran dachte, dass ich sie zum ersten Mal seit der Beerdigung besuchen würde. Gleichzeitig wurde mir schwindelig, als mir bewusst wurde, dass meine Familie tatsächlich nicht mehr erreichbar war und was der Tod eigentlich bedeutete. Ich befreite mich von diesem Denken und überquerte die vielen Sandwege und Verzweigungen. Ich hatte den Weg seit der Beerdigung nicht vergessen und wusste genau, wann ich wo abbiegen musste. An den meisten Gräbern befanden sich ältere Menschen. Sie weinten, trauerten schweigend oder befassten sich mit der Grabpflege. Ich fühlte mich fremd und Erinnerungen drangen in mein Bewusstsein. Als ich bei meiner Familie ankam, staunte ich nicht schlecht, dass sich noch alles in einem guten Zustand befand. Ich bückte mich und sammelte vereinzelte Laubblätter aus der Erde. Dann

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