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Leben und Schicksal

Leben und Schicksal

Titel: Leben und Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Grossman
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»Hausverwalter Grekow. Sind Sie durch unseren Stollen gekommen?«
    Alles an ihm, sein Blick, die schnellen Bewegungen und die breiten Nasenflügel, war frech, er war die personifizierte Frechheit.
    »Warte nur, warte, dich krieg ich schon klein«, dachte Krymow.
    Krymow stellte Fragen. Grekow antwortete unwillig und zerstreut, gähnte dabei und schaute sich fortwährend um, als hinderten ihn Krymows Fragen am Nachdenken über die wirklich wichtigen Angelegenheiten.
    »Sollen wir Sie ablösen?«, fragte Krymow.
    »Warum?«, fragte Grekow. »Wenn Sie uns nur Tabak und natürlich Granaten und, wenn Sie’s entbehren können, auch ein bisschen Schnaps und Mais rüberschieben könnten …« – beim Aufzählen bog er die einzelnen Finger um.
    »Sie wollen also nicht weg von hier?«, fragte Krymow aufgebracht, fand aber unwillkürlich doch Gefallen an Grekows hässlichem Gesicht.
    Sie schwiegen, und in diesem kurzen Schweigen bezwang Krymow das Gefühl innerer Unterlegenheit gegenüber den Männern in dem eingeschlossenen Haus.
    »Führen Sie ein Kampftagebuch?«, fragte er.
    »Ich hab kein Papier«, erwiderte Grekow. »Worauf soll ich schreiben? Und Zeit hab ich auch keine, und für wen auch, wozu?«
    »Sie unterstehen dem Kommandeur des 176. Schützenregiments«, sagte Krymow.
    »So ist es, Genosse Bataillonskommissar«, nickte Grekow und setzte spöttisch hinzu: »Als das Wohngebiet abgeschnitten wurde und ich hier in diesem Haus Männer und Waffen um mich sammelte und dreißig Angriffe abwehrte und acht Panzer abschoss, da war über mir auch kein Kommandeur.«
    »Können Sie Ihre jetzige Mannschaftsstärke genau angeben, und prüfen Sie sie laufend nach?«
    »Wozu soll ich sie prüfen? Ich führe keine Bestandslisten, wo bin ich denn – bei der Intendantur? Bekomme ich Zusatzrationen? Wir sitzen auf faulen Kartoffeln und faulem Wasser.«
    »Sind Frauen im Haus?«
    »Genosse Kommissar, ist das ein Verhör?«
    »Sind von Ihren Leuten welche in Gefangenschaft geraten?«
    »Nein.«
    »Wo ist Ihre Funkerin?«
    Grekow kniff den Mund zu. Seine Brauen zogen sich drohend zusammen. Dann antwortete er: »Das Mädchen war eine deutsche Spionin, sie wollte mich anwerben. Ich habe sie vergewaltigt und dann erschossen.« Er reckte den Hals und fragte: »Wollten Sie das von mir hören?« Und höhnisch setzte er hinzu: »Ich merke schon, die Sache riecht nach Strafbataillon, nicht wahr, Genosse Vorgesetzter?«
    Krymow betrachtete ihn einige Augenblicke schweigend und sagte dann: »Grekow, Grekow, Sie sind ganz schön durchgedreht. Ich war auch mal eingeschlossen und bin ausgefragt worden.«
    Ohne den Blick von Grekow zu wenden, sagte er langsam:
    »Ich habe Anweisung, Ihnen, falls nötig, die Befehlsgewalt zu entziehen und selbst den Befehl zu übernehmen. Warum wollen Sie unbedingt mit dem Kopf durch die Wand? Sie lassen mir ja keine andere Wahl.«
    Grekow schwieg, dachte nach, lauschte und sagte dann: »Es wird still, die Deutschen haben sich ausgetobt.«
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    »Das ist gut, dann können wir beide jetzt das Weitere in Ruhe zusammen besprechen«, sagte Krymow.
    »Warum nur wir beide?«, sagte Grekow. »Wir kämpfen hier alle gemeinsam und werden daher das Weitere auch gemeinsam besprechen.«
    Grekows Frechheit gefiel Krymow und missfiel ihm zugleich Er hatte Lust, ihm von seiner Einschließung damals in der Ukraine zu erzählen, von seinem Leben vor dem Krieg, damit Grekow ihn nicht für einen Schreibstubenbeamten hielt. Doch darin, das spürte er, würde sich seine Schwäche offenbaren. Er war ja in dieses Haus gekommen, um seine Stärke, nicht seine Schwäche zu demonstrieren. Hier war er nicht politischer Funktionär, sondern Kriegskommissar.
    »Und ein Kriegskommissar zeigt keine Schwäche«, dachte er.
    In der Kampfpause, die jetzt eingetreten war, saßen und lagen die Männer auf den Schutthaufen. Grekow sagte: »Heute wird der Deutsche nicht weiter vordringen.« Er schlug Krymow vor: »Kommen Sie, Genosse Kommissar, essen wir.«
    Krymow setzte sich neben Grekow zwischen die rastenden Männer.
    »Ich schaue euch an«, sagte Krymow, »und denke an den berühmten Ausspruch ›die Russen haben die Preußen stets bezwungen‹.«
    Eine leise, träge Stimme sagte: »Fürwahr, fürwahr.«
    In diesem »fürwahr« lag so viel Spott und Hohn gegenüber derlei Sprüchen, dass ein verhaltenes Lachen durch die Reihe der Männer ging. Sie wussten genauso gut wie derjenige, der diesen Ausspruch getan hatte, welche Kraft in den Russen

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