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Leben und Schicksal

Leben und Schicksal

Titel: Leben und Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Grossman
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bolschewistischen Brei verspeist werden müssen.«
    Jetzt war Krymow seiner selbst ganz sicher; seine Zweifel, wie er die Sache angehen sollte, waren verflogen. Er musste Grekow ablösen.
    Krymow erkannte in Grekow nun ganz klar das feindliche, fremde Element, das auch die Heldentaten, die er in dem eingeschlossenen Haus vollbracht hatte, nicht überdecken konnten. Er wusste, dass er mit Grekow fertig werden würde.
    Als es dunkel wurde, ging Krymow zu ihm und sagte: »Kommen Sie, Grekow, lassen Sie uns vernünftig reden, im Klartext. Was wollen Sie?«
    Der Kommandeur warf ihm einen raschen Blick von unten herauf zu – er saß, Krymow stand – und sagte fröhlich: »Ich will die Freiheit; für sie kämpfe ich.«
    »Das wollen wir alle.«
    »Ach was«, winkte Grekow ab. »Was bedeutet sie Ihnen schon? Ihnen geht es nur darum, mit den Deutschen fertigzuwerden.«
    »Machen Sie keine Witze, Genosse Grekow«, sagte Krymow warnend. »Warum lassen Sie einigen Soldaten falsche politische Äußerungen durchgehen? Na? Bei Ihrer Autorität könnten Sie das ebenso gut unterbinden wie ein Kriegskommissar. Ich habe den Eindruck, dass sich die Leute, wenn sie etwas Unpassendes sagen, sogar noch beifallheischend nach Ihnen umdrehen; der zum Beispiel, der das mit den Kolchosen gesagt hat. Warum haben Sie ihn auch noch unterstützt? Ich sage es Ihnen offen wir müssen diese Sache gemeinsam aus der Welt schaffen, und wenn Sie nicht mitmachen – ich sag’s genauso offen –, dann mache ich ernst.«
    »Mit den Kolchosen? Was ist damit? Die Leute mögen sie nicht, das wissen Sie genauso gut wie ich.«
    »Also hören Sie, Grekow, Sie wollen doch nicht den Lauf der Geschichte ändern?«
    »Na, und Sie? Wollen Sie denn nachher wieder alles im alten Gleis weiterlaufen lassen?«
    »Was meinen Sie mit ›alles‹?«
    »Na, alles eben. Die ganze Zwangswirtschaft.«
    Er sprach mit träger Stimme, warf die einzelnen Worte lächelnd hin. Dann stand er unvermittelt auf und sagte: »Genosse Kommissar, lassen Sie’s gut sein. Ich habe mir nichts Böses dabei gedacht. Wollte Sie ein bisschen ärgern. Ich bin genauso ein Sowjetmensch wie Sie. Mich ärgert nur Ihr Misstrauen.«
    »Na, dann lassen Sie uns doch mal vernünftig besprechen wie wir den unguten, unsowjetischen Geist hier rauskriegen. Sie haben ihn geweckt und werden mir helfen, ihn zu ersticken. Sie sollen ja noch ruhmreich weiterkämpfen.«
    »Ich möchte schlafen. Und Sie brauchen auch Ruhe. Sie werden sehen, morgen früh ist hier was los.«
    »Na gut, Genosse Grekow, sprechen wir morgen weiter. Ich habe nicht vor, Sie so bald wieder zu verlassen. Ich habe Zeit.«
    Grekow musste lachen: »Wir werden uns sicher einigwerden.«
    »Alles klar«, dachte Krymow. »Ich werde mich nicht mit homöopathischen Mitteln aufhalten. Ich werde das Skalpell nehmen. Politisch Verbogene kriegt man mit Worten nicht wieder gerade.«
    Plötzlich sagte Grekow: »Sie haben gute Augen. Sie leiden.«
    Krymow breitete verwirrt die Arme aus und sagte gar nichts. Grekow aber, der diese Geste als Bestätigung seiner Worte auffasste, fuhr fort: »Ich leide selbst, wissen Sie. Aber es ist etwas Persönliches, nichts, was man in den Kampfbericht schreiben würde.«
    Nachts wurde Krymow im Schlaf von einer verirrten Kugel am Kopf verletzt. Die Kugel zerfetzte die Haut und streifte den Schädelknochen. Es war keine gefährliche Verletzung, aber Krymow hatte ein starkes Schwindelgefühl und konnte sich nicht auf den Beinen halten. Es war ihm ständig übel.
    Grekow befahl, eine Trage zu zimmern, und in der ruhigen Stunde vor Sonnenaufgang wurde der Verwundete aus dem eingeschlossenen Haus evakuiert.
    Krymow lag auf der Trage. In seinem Kopf dröhnte und drehte sich alles; in seinen Schläfen stach und klopfte es.
    Grekow begleitete die Trage bis zu dem unterirdischen Gang.
    »Sie haben Pech gehabt, Genosse Kommissar«, sagte er zum Abschied.
    Plötzlich durchzuckte Krymow ein Verdacht: Wie, wenn Grekow selbst in der Nacht auf ihn geschossen hatte?
    Gegen Abend begann Krymow zu erbrechen; die Kopfschmerzen wurden stärker.
    Zwei Tage lag er beim Sanitätsbataillon, dann wurde er ans linke Ufer ins Armeelazarett gebracht.
    22
    Kommissar Piwowarow inspizierte die engen Erdhütten des Sanitätsbataillons und sah, wie angespannt die Lage dort war; die Verwundeten lagen dicht gedrängt. Krymow fand er nicht mehr vor; er war am Vorabend ans linke Ufer gebracht worden.
    »Komisch, dass es ihn gleich erwischt hat«, dachte

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