Leben und Schicksal
danke dir. Ich umarme dich, lieber Freund. Wünsche viel Erfolg.«
Der Kampf um das Traktorenwerk hatte begonnen.
Das Haus »sechs Strich eins« war verstummt. Kein Schuss kam mehr aus den Trümmern. Offenbar hatte die Hauptwucht des Angriffs dieses Haus getroffen. Die Mauerreste waren eingestürzt und von der Druckwelle planiert worden. Im Schutz der spärlichen Mauerreste hatten die deutschen Panzer das Bataillon Podtschufarows unter Beschuss genommen.
Die Ruine des unlängst für die Deutschen noch so gefährlichen Hauses war zum sicheren Unterschlupf für sie geworden.
Von weitem sahen die roten Backsteinhaufen aus wie riesige Klumpen frischen, dampfenden Fleisches. Graugrüne deutsche Soldaten liefen aufgeregt zwischen den Haufen des eingeschlossenen, geschlachteten Hauses hin und her.
»Du bist jetzt Regimentskommandeur«, sagte Berjoskin zu Piwowarow und setzte hinzu: »Den ganzen Krieg über war das Oberkommando mit mir nicht zufrieden, und jetzt, wo ich untätig unter der Erde gesessen und gesungen habe, jetzt plötzlich hab ich Tschuikows Dankbarkeit gewonnen und das Kommando über die Division erhalten – zu komisch! Jetzt werde ich dir aber nichts mehr durchgehen lassen!«
Doch die Deutschen ließen nicht locker; es war keine Zeit für Scherze.
25
Die Strums kamen während der kalten, schneereichen Tage in Moskau an. Alexandra Wladimirowna hatte ihre Arbeit in der Fabrik nicht aufgeben wollen und war in Kasan geblieben, obwohl Strum sich erboten hatte, sie am Karpow-Institut unterzubringen.
Es war eine seltsame Zeit, froh und angstvoll zugleich. Die Deutschen hatten noch nichts von ihrem Schrecken verloren, schienen im Gegenteil neue, grausame Schläge vorzubereiten. Die Wende des Kriegs schien noch nicht gekommen. Dennoch zog es alle wieder nach Moskau, und niemand wunderte sich über diesen allgemeinen Drang. Auch dass die Regierung einige Institutionen nach Moskau zurückschickte, hielt man für ganz natürlich.
Die Menschen spürten instinktiv, dass eine Art Frühling im Krieg angebrochen war. Doch die Hauptstadt bot in diesem zweiten Kriegswinter alles andere als einen frühlingshaften Anblick.
Schmutziger Schnee lag in großen Haufen neben den Trottoiren. In den Randgebieten waren die Straßen zu schmalen Trampelpfaden geworden, die von den Hauseingängen zu den Straßenbahnhaltestellen und Kaufläden führten. Aus vielen Fenstern ragten rauchende Ofenrohre, und die Hauswände waren mit einer gelblich rußigen Eisschicht überzogen. Die Moskowiter selbst wirkten in ihren Pelzjacken und Kopftüchern wie Provinzler oder Bauern.
Viktor Pawlowitsch saß im Laderaum des Lastwagens auf dem Gepäck und musterte das mürrische Gesicht seiner neben ihm sitzenden Tochter.
»Na, Mademoiselle«, sagte er, »du hast dir Moskau in deinen Kasaner Träumen wohl etwas anders vorgestellt?«
Nadja fühlte sich ertappt und schwieg ärgerlich.
Viktor Pawlowitsch sagte beschwichtigend: »Die Menschen wollen einfach nicht begreifen, dass die von ihnen geschaffenen Städte kein Bestandteil der Natur sind. Keinen Augenblick dürfen sie Gewehr, Schaufel und Besen aus der Hand legen, sonst fallen Wölfe, Sturm und Unkraut über ihre Kultur her. Vernachlässigen sie auch nur ein, zwei Jährchen ihre Pflicht, dann ist alles hin – die Wölfe kommen aus den Wäldern, die Disteln breiten sich aus, Schnee und Staub decken die Städte zu. Wie viele herrliche Städte sind schon an Staub, Schnee und Unkraut zugrunde gegangen!«
Strum wollte, dass Ljudmila, die vorn neben dem Fahrer saß, seine Ausführungen mit anhörte. Er beugte sich nach vorn über die Rampe und fragte durch das halb geöffnete Fenster: »Hast du’s bequem, Ljuda?«
Nadja sagte: »Die Hausmeister räumen einfach den Schnee nicht weg, das ist alles; mit Untergang der Kultur hat das überhaupt nichts zu tun.«
»Ach, du Dummchen«, sagte Strum, »schau dir doch mal diese Eisschichten an.«
Plötzlich holperte der Lastwagen, Taschen und Koffer wurden hochgeworfen und mit ihnen Strum und Nadja. Sie schauten sich an und mussten lachen.
Seltsam, seltsam. Nie hätte er gedacht, dass er ausgerechnet im Krieg, in den Jahren des Elends, der Heimatlosigkeit, der Kasaner Evakuierung, sein größtes, wichtigstes Werk vollbringen würde.
Er hatte sich vorgestellt, dass ein feierliches Gefühl sie bei ihrer Rückkehr nach Moskau beseelen würde, dass sich die Gedanken an die Opfer, die fast jede Familie in diesem Krieg hatte bringen müssen, die Trauer um
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