Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leben und Schicksal

Leben und Schicksal

Titel: Leben und Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Grossman
Vom Netzwerk:
begannen ein ganz anderes Gespräch. Markow zählte Frauen auf, die ihren Männern das Leben zur Hölle machten.
    »Jeder hat die Frau, die er verdient«, sagte Sokolow, schaute auf die Uhr und verließ das Zimmer.
    Lachend sagte Sawostjanow hinter ihm her: »Wenn im Bus nur ein Platz frei ist, dann steht Marja Iwanowna, und Pjotr Lawrentjewitsch sitzt. Wenn nachts das Telefon läutet, dann steht nicht etwa er auf, sondern Maschenka rennt im Schlafrock an den Apparat. Klar, die Frau ist der beste Freund des Menschen.«
    »Ich gehöre leider nicht zu diesen Glückspilzen«, sagte Markow. »Bei mir heißt es: ›He, bist du taub? Mach doch endlich die Tür auf!‹«
    Plötzlich sagte Strum schroff: »Ach was, wir können da nicht mithalten … Pjotr Lawrentjewitsch ist ein Goldstück als Ehemann!«
    »Na, jetzt kann Ihnen das ja egal sein, Wjatscheslaw Iwanowitsch«, sagte Sawostjanow, »wo Sie doch Tag und Nacht außer Reichweite im Labor sind.«
    »Ja, meinen Sie, dafür bekomme ich nichts zu hören?«, fragte Markow.
    »Klar«, sagte Sawostjanow und leckte sich die Lippen im Vorgeschmack der neuen Pointe: »Zu Hause sitzen – nach dem Motto: Mein Heim ist meine Peter-Paul-Festung.«
    Markow und Strum mussten lachen, doch dann stand Markow – offensichtlich aus Angst, das amüsante Gespräch könnte sich in die Länge ziehen – auf und sagte zu sich selbst: »An die Arbeit, Wjatscheslaw Iwanowitsch.«
    Als er draußen war, sagte Strum: »Er war immer so geziert und so gemessen in seinen Bewegungen, und jetzt rennt er herum wie ein Betrunkener. Er ist wirklich Tag und Nacht im Labor.«
    »Ja, ja«, sagte Sawostjanow. »Er ist wie ein Vogel, der sein Nest baut, geht völlig auf in seiner Arbeit.«
    Strum musste lachen: »Jetzt erfährt er nicht einmal mehr den neuesten Klatsch, tratscht auch nichts weiter. Ja, ja, das gefällt mir, wie ein Vogel, der sein Nest baut.«
    Sawostjanow drehte sich unvermittelt zu Strum um.
    Sein junges Gesicht mit den blonden Augenbrauen war ernst.
    »Übrigens, was das angeht«, sagte er, »ich muss sagen, Viktor Pawlowitsch, die gestrige Versammlung bei Schischakow, zu der man Sie nicht eingeladen hat, war eine empörende Angelegenheit, eine unglaubliche Schweinerei …«
    Strums Gesicht verfinsterte sich; diese Sympathiekundgebung schien ihm demütigend.
    »Ach, hören Sie auf, lassen Sie das«, unterbrach er ihn schroff.
    »Viktor Pawlowitsch«, fuhr Sawostjanow dennoch fort, »natürlich ist es unwichtig, dass Schischakow Sie nicht eingeladen hat. Doch Pjotr Lawrentjewitsch hat Ihnen ja erzählt, was für einen Blödsinn dieser Gawronow zusammengeschwatzt hat. Die Stirn muss man erst mal haben – zu sagen, dass aus Ihrer Arbeit der Geist des Judaismus spreche, dass Gurewitsch Sie nur deshalb klassisch genannt habe, weil Sie Jude seien. Und das alles vor der spöttisch lächelnden Institutsleitung! Da haben Sie ihn – den ›Bruder Slawen‹.«
    Während der Mittagspause ging Strum nicht in die Kantine, sondern schritt erregt in seinem Büro auf und ab. Nie hätte er es für möglich gehalten, dass Menschen so viel Schmutz in sich haben könnten. Aber Sawostjanow war ein Prachtkerl! Dabei war er ihm immer wie ein oberflächlicher kleiner Junge vorgekommen, der nichts als Witzchen im Kopf hatte und Fotos von Frauen im Badeanzug mit sich herumtrug. Im Grunde genommen war das ja alles ganz lächerlich. Das Geschwätz Gawronows war ohne Belang, ein Psychopath, ein ärmlicher Neidhammel. Niemand hatte ihm widersprochen, weil es zu peinlich und lächerlich war, was er sagte.
    Und dennoch quälten und erregten ihn diese Nichtigkeiten. Was hatte sich Schischakow dabei gedacht, ihn nicht einzuladen? Das war doch wirklich ein Affront und dumm dazu. Das Erniedrigendste aber war, dass ihm Schischakow, diese wissenschaftliche Null, samt seinen Abendgesellschaften eigentlich völlig gleichgültig sein konnte, dass ihn, Strum, die Angelegenheit aber dennoch so schmerzte, als habe sich in seinem Leben ein nicht wiedergutzumachendes Unglück ereignet. Er verstand sehr gut, dass das dumm von ihm war, aber er konnte nichts dagegen tun. Ja, ja, und er hatte sich schon ein Ei mehr zuteilen lassen wollen als Sokolow! Denkste!
    Eines wurmte ihn besonders. Zu Sokolow wollte er sagen: »Schämen Sie sich nicht, Sie, der Sie mein Freund sind? Wie konnten Sie mir verheimlichen, dass Gawronow mich mit Dreck beworfen hat? Und Sie haben dazu geschwiegen! Pjotr Lawrentjewitsch, Sie haben dort geschwiegen und mir

Weitere Kostenlose Bücher