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Leben und Schicksal

Leben und Schicksal

Titel: Leben und Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Grossman
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Wladimirowna stets entgegenzubringen bemüht war …«
    »Anna Semjonowna hat Tolja nie gemocht«, sagte Ljudmila Nikolajewna schroff.
    »Ach, das stimmt doch gar nicht«, entgegnete Strum; seine Frau erschien ihm plötzlich fremd und abstoßend in ihrer halsstarrigen Ungerechtigkeit.
    53
    Am anderen Morgen erfuhr Strum im Institut von Sokolow, dass Schischakow am Vorabend einige Mitarbeiter des Instituts bei sich zu Hause empfangen hatte. Kowtschenko hatte Sokolow mit dem Wagen abgeholt.
    Unter den Eingeladenen war auch der Chef der Wissenschaftsabteilung des ZK, der junge Badjin, gewesen.
    Strum war sein Anruf nun doppelt peinlich – er hatte offensichtlich gerade angerufen, als die Gäste eintrafen.
    Lachend sagte er zu Sokolow: »Unter den Gästen war auch Graf Saint-Germain! Worüber haben denn die erlauchten Herren gesprochen?«
    Plötzlich fiel ihm ein, dass er der Frau am Telefon seinen Namen mit samtweicher Stimme genannt hatte, war er doch überzeugt gewesen, dass Alexej Alexejewitsch, wenn er den Namen »Strum« hörte, sofort erfreut ans Telefon eilen würde. Er stöhnte bei dieser Erinnerung auf. Wie ein Hund, dachte er, der vergeblich versucht, einen besonders lästigen Floh aus seinem Fell zu kratzen.
    »Übrigens«, sagte Sokolow, »da ging es keineswegs kriegsmäßig zu. Es gab Kaffee und einen trockenen Gurdschaani-Wein. Es waren allerdings nicht viele Leute da, so etwa zehn.« »Komisch«, sagte Strum nachdenklich. Sokolow begriff sofort, worauf sich diese Bemerkung bezog, und sagte ebenfalls nachdenklich: »Ja, es ist nicht ganz verständlich, um nicht zu sagen, total unverständlich.«
    »War Natan Samsonowitsch da?«, fragte Strum.
    »Nein, Gurewitsch war nicht da; man hatte ihn wohl angerufen, aber er hatte mit seinen Doktoranden zu arbeiten.«
    »Ja, ja, ja«, sagte Strum und trommelte mit dem Finger auf den Tisch. Dann fragte er, für sich selbst unerwartet: »Pjotr Lawrentjewitsch, hat man etwas über meine Arbeit gesagt?«
    Sokolow zögerte etwas, dann sagte er: »Wissen Sie, Viktor Pawlowitsch, ich glaube, Ihre Lobredner und Verehrer erweisen Ihnen einen rechten Bärendienst – die Chefs sind ziemlich gereizt.«
    »Warum antworten Sie nicht auf meine Frage?«
    Sokolow berichtete, Gawronow habe behauptet, Strums Arbeit widerspreche den Lenin’schen Ansichten über die Natur der Materie.
    »Na?«, sagte Strum. »Und weiter?«
    »Ja, wissen Sie, diesen Gawronow braucht man ja nicht ernst zu nehmen, aber unangenehm ist, dass Badjin ihn unterstützt hat. Ihre Arbeit entspreche, so ungefähr sagte er, bei all ihren unzweifelhaften Vorzügen nicht den Grundforderungen, die auf jener berühmten Sitzung festgelegt worden seien.«
    Er schaute zur Tür und zum Telefon, dann sagte er gedämpft: »Wissen Sie, ich überlege mir, ob unsere Institutschefs Sie im Zusammenhang mit der Kampagne für die Parteitreue der Wissenschaft nicht zum Sündenbock machen wollen. Sie wissen ja, wie das bei uns geht. Man wählt ein Opfer aus, und dann heißt es: Auf ihn mit Gebrüll. Das wäre entsetzlich. Ihre Arbeit ist etwas ganz Besonderes, Außerordentliches.«
    »Ja, hat denn niemand widersprochen?«
    »Offenbar nicht.«
    »Und Sie, Pjotr Lawrentjewitsch?«
    »Ich hielt es für sinnlos, mich einzumischen. Gegen Demagogie ist man machtlos.«
    Strum spürte die Verlegenheit seines Freundes. Er wurde selbst verlegen und sagte: »Ja, ja, natürlich. Sie haben ganz recht.«
    Sie schwiegen, doch dieses Schweigen lastete schwer. Ein Hauch kalter Angst berührte Strum, jene Angst, die er insgeheim stets im Herzen trug, die Angst vor dem Zorn des Staates, davor, Opfer dieses Zorns zu werden, der Menschen zu Staub zermahlen konnte.
    »Ja, ja, ja«, sagte er nachdenklich, »immer schön auf dem Teppich bleiben.«
    »Ach ja, wenn Sie das nur endlich begreifen wollten«, sagte Sokolow leise.
    »Pjotr Lawrentjewitsch«, sagte Strum nun ebenfalls mit gedämpfter Stimme, »wie geht es Madjarow? Schreibt er Ihnen? Ich mache mir manchmal große Sorgen, weiß selbst nicht, warum.«
    In diesem plötzlichen Übergang zum Flüsterton brachten sie gleichsam zum Ausdruck, dass es zwischen Menschen eine besondere, persönliche Beziehung gibt, auf die der Staat keinen Einfluss hat.
    Sokolow erwiderte ruhig und bestimmt: »Nein, ich höre nichts aus Kasan.« Seine ruhige, laute Stimme bedeutete Strum, dass diese besondere, persönliche, vom Staat unabhängige Beziehung jetzt fehl am Platz war.
    Markow und Sawostjanow kamen herein und

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