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Leben und Schicksal

Leben und Schicksal

Titel: Leben und Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Grossman
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Spaß macht‹, nein, sie sagt: ›Es ist meine Pflicht, er tut mir leid, ich habe mich ihm geopfert.‹ Diese Frauenzimmer tun sich mit Männern zusammen, schlafen mit ihnen und verlassen sie wieder, weil es ihnen Spaß macht, aber wenn sie davon sprechen, sagen sie’s ganz anders: ›Es musste sein, meine Pflicht und mein Gewissen haben es mir befohlen, ich habe mich geweigert und dann geopfert.‹ Einen Dreck hat sie sich geopfert, sie hat getan, was sie wollte, und dann – der Gipfel der Gemeinheit ist: Diese Damen glauben selbst an ihre Opferseele. Ich kann sie nicht leiden! Und wissen Sie, warum? Weil ich oft das Gefühl habe, dass ich selbst von diesem Schlag bin.«
    Während des Mittagessens sprach Marja Iwanowna Genia an: »Wenn Sie erlauben, Jewgenia Nikolajewna, gehe ich mit Ihnen. Ich habe eine traurige Erfahrung in diesen Dingen. Und zu zweit ist es immer irgendwie leichter.«
    Genia antwortete verlegen : »Nein, nein, vielen Dank, so was muss man schon allein hinter sich bringen. Diese Last lässt sich mit niemandem teilen.«
    Ljudmila Nikolajewna blickte ihre Schwester schräg an und sagte gleichsam als Erklärung für ihre Offenheit gegenüber Marja Iwanowna: »Mascha hat sich in den Kopf gesetzt, dass sie dir nicht gefallen hat.«
    Jewgenia Nikolajewna gab keine Antwort.
    »Ja, ja«, sagte Marja Iwanowna, »ich spüre es. Aber verzeihen Sie mir bitte, dass ich das gesagt habe. Ist ja dummes Zeug. Was haben Sie schon mit mir zu schaffen? Ljudmila Nikolajewna hätte gar nicht die Rede darauf bringen sollen. Jetzt ist es, als wollte ich mich aufdrängen, damit Sie Ihre Einstellung ändern. Ich meinte es einfach so. Und überhaupt …«
    Zu ihrer eigenen Überraschung sagte Genia völlig aufrichtig: »Aber nein, meine Liebe, wo denken Sie hin? Ich bin einfach ganz durcheinander, bitte verzeihen Sie mir. Ich finde Sie sehr nett.«
    Dann sprang sie auf.
    »Nun, Kinder, wie sagt Mutter immer: ›Ich muss jetzt los!‹«
    27
    Die Straßen waren voller Menschen.
    »Sind Sie in Eile?«, fragte er. »Könnten wir nicht wieder in den Park gehen?«
    »O nein, das geht nicht. Die Leute kehren schon von der Arbeit zurück, ich muss mich beeilen, damit ich vor Pjotr Lawrentjewitsch zu Hause bin.«
    Er hatte gedacht, dass sie ihn zu sich einladen würde, damit er von Sokolow etwas über die Sitzung des Wissenschaftsrats erfahren könnte. Doch sie schwieg, und ihm kam der Verdacht, Sokolow habe Angst, mit ihm zusammenzutreffen.
    Es kränkte ihn, dass sie so eilig nach Hause wollte, aber es war ja ganz natürlich.
    Sie passierten die Grünanlage in der Nähe der Straße, die zum Don-Kloster führte. Plötzlich blieb sie stehen und sagte: »Setzen wir uns doch für einen Augenblick, dann nehme ich den Trolleybus.«
    Sie saßen schweigend nebeneinander, doch er fühlte ihre Erregung. Den Kopf ein wenig schräg geneigt, blickte sie Strum in die Augen.
    Sie schwiegen weiter. Sie hielt die Lippen zusammengepresst, doch ihm war, als hörte er ihre Stimme. Alles war klar, so klar, als hätten sie einander bereits alles gesagt. Und welcher Worte bedurfte es hier schon?
    Er verstand, dass etwas ungeheuer Ernstes vor sich ging, dass seinem Leben ein neuer Stempel aufgedrückt wurde – schwere Wirrsale lagen vor ihm. Er wollte den Menschen kein Leid zufügen, es war besser, wenn niemand jemals etwas von ihrer Liebe erfahren würde, vielleicht würden auch sie selbst einander nichts davon sagen. Vielleicht … Doch was jetzt gerade geschah, ihre Trauer und Freude, das konnten sie nicht voreinander verbergen, und das brachte unvermeidbare, alles umwälzende Veränderungen mit sich. Was da vor sich ging, hing von ihnen selbst ab, und zugleich schien es ein Fatum zu sein, dem sie sich nur noch unterwerfen konnten. Alles, was zwischen ihnen entstand, war wahr und natürlich und lag nicht in ihrer Macht, wie das Tageslicht, das nicht vom Menschen abhing. Und zugleich gebar diese Wahrheit unausweichlich Lüge, Heuchelei und Grausamkeit den Menschen gegenüber, die ihnen am nächsten standen. Sie allein hatten es in der Hand, diese Lüge und diese Grausamkeit zu vermeiden, sie brauchten nur auf das natürliche, klare Licht zu verzichten.
    Eines war ihm klar: In diesen Minuten verlor er für immer seine innere Ruhe. Was immer ihn auch in Zukunft erwartete, um seine Ruhe war es geschehen. Ob er das Gefühl verheimlichen könnte, das ihn an diese Frau neben ihm band, oder ob es aus ihm herausbräche und zu seinem neuen Schicksal würde

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