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Leben und Schicksal

Leben und Schicksal

Titel: Leben und Schicksal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wassili Grossman
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laufenlassen. Und du weißt ja selbst, ich vergesse die eigene Mutter, wenn’s ums Kämpfen geht.«
    »Dann sieht das also so aus«, sagte Viktorow, »wenn ein Jude in Ordnung ist, sagst du, er ist kein Jude.«
    Alle lachten, aber Solomatin sagte: »Na schön, aber Muchin fand es nicht so lustig, als Berman ihn erschießen lassen wollte.«
    Da trat Korol in die Kantine, und einer der Flieger fragte ihn neugierig: »Hör mal, Borja, bist du Jude?«
    Korol wurde verlegen und antwortete: »Ja, ich bin Jude.«
    »Sicher?«
    »Ganz sicher.«
    »Beschnitten?«
    »So hol dich doch der Teufel«, erwiderte Korol. Alle fingen wieder zu lachen an.
    Als die Flieger vom Flugplatz ins Dorf zurückkehrten, ging Solomatin neben Viktorow her.
    »Weißt du, du hast umsonst große Reden gehalten«, sagte er. »Als ich in der Seifensiederei gearbeitet habe, war bei uns alles voller Jidden – sämtliche Vorgesetzte. Ich kenne diese Samuilow Abramowitschs – die halten wie die Kletten zusammen, das kannst du mir glauben.«
    »Wann hörst du denn endlich auf« – Viktorow zuckte die Achseln –, »mich ewig mit denen in einen Topf zu werfen?«
    Berman sprach darüber, dass im Leben des fliegenden Personals eine neue Ära angebrochen, dass es mit dem Leben in der Reserve vorbei sei. Das hatten alle auch schon ohne ihn begriffen, doch sie hörten ihm aufmerksam zu, um seiner Rede eine Andeutung darüber zu entnehmen, ob das Regiment nun an der Nordwestfront blieb oder nur nach Rschew verlegt oder ob es in den Westen oder in den Süden geworfen wurde.
    Berman sagte: »Also, einen guten Kampfflieger zeichnet vor allem die Kenntnis des Geräts aus, er kennt es so gut, dass er damit spielen kann, als Zweites – die Liebe zu seiner Maschine, er liebt sie wie seine Schwester, wie seine Mutter; als Drittes – Mut; Mut jedoch ist kalter Verstand, gepaart mit einem heißen Herzen; als Viertes – Kameradschaftsgeist, er ist das Erziehungsziel unseres ganzen sowjetischen Lebens; als Fünftes – selbstloser Einsatz im Gefecht! Der Erfolg liegt im Paarverbandfliegen! Folge dem Leitflugzeug! Der echte Flieger denkt auch auf dem Boden immer an das letzte Gefecht, analysiert es, wägt ab: ›Ach, so wäre es besser gewesen, aha, das hätte nicht sein dürfen.‹«
    Die Flieger blickten den Kommissar mit geheucheltem Interesse an und unterhielten sich leise miteinander:
    »Vielleicht zur Eskorte der ›Douglas‹-Maschinen, die Lebensmittel nach Leningrad bringen«, sagte Solomatin, der eine Bekannte in Leningrad hatte.
    »In Richtung Moskau?«, sagte Moltschanow, dessen Angehörige in Kunzewo wohnten.
    »Vielleicht aber auch nach Stalingrad?«, meinte Viktorow.
    »Na, das glaube ich kaum«, sagte Skotnoi.
    Ihm war es gleich, wohin das Regiment geworfen wurde; alle seine Angehörigen befanden sich in der besetzten Ukraine.
    »Und du, Borja, wohin fliegst du?«, fragte Solomatin. »In deine jüdische Hauptstadt Berditschew?«
    Plötzlich wurden Korols dunkle Augen schwarz vor Wut, und er stieß einen lauten Fluch aus.
    »Unterleutnant Korol!«, schrie der Kommissar.
    »Jawohl, Genosse Bataillonskommissar …«
    »Maul halten …«
    Aber Korol schwieg auch so schon.
    Major Sakabluka galt als berühmter Kenner und Liebhaber derber Flüche; er hätte aus dem Vorfall, dass ein Kampfflieger in Gegenwart von Vorgesetzten einen Fluch ausstieß, keine große Geschichte gemacht. Er selbst schrie ja jeden Morgen seine Ordonnanz drohend an: »Masjukin, Himmel, Arsch und Zwirn«, und schloss ganz friedlich: »Gib mir mal das Handtuch.«
    Da er jedoch das ränkesüchtige Wesen des Kommissars kannte, scheute sich der Regimentskommandeur, Korol gleich die Strafe zu erlassen. Berman würde im Rapport schildern, wie Sakabluka vor versammeltem Flugpersonal die politische Leitung diskreditiert habe. Berman hatte bereits an die politische Abteilung geschrieben, dass Sakabluka in der Reserve einen privaten Haushalt führe, Wodka mit dem Stabsführer trinke und mit der Zootechnikerin Genia Bondarjewa aus der örtlichen Bevölkerung ein Verhältnis habe.
    Deshalb holte der Regimentskommandeur weit aus. Drohend und heiser schrie er: »Wie stehen Sie da, Unterleutnant Korol? Zwei Schritte nach vorn! Was ist das für eine Schlamperei?«
    Dann trieb er die Sache weiter: »Politruk Golub, melden Sie dem Kommissar, aus welchem Grund Korol gegen die Disziplin verstoßen hat!«
    »Melde gehorsamst, Genosse Major, dass er sich mit Solomatin gestritten hat; weshalb, habe ich nicht

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